Wir alle haben ein stressiges Leben. Wir arbeiten, wir haben Freizeitstress, wir haben Kinder. Und wenn eine Frau schwanger wird, dann kommt noch einmal jede Menge Stress dazu. Zuerst das Bangen in den ersten Wochen, Arztbesuche, das ängstliche Warten bis zum erlösenden nächsten Frauenarzttermin. Für viele Frauen bleibt auch nach dem ersten Trimester die Angst ein ständiger Begleiter, von „guter Hoffnung“ keine Spur. Was man in einschlägigen Foren dazu lesen kann spricht ebenso Bände. Jedes Ziehen der Mutterbänder ist von Angst begleitet, schon leicht verringerte Kindsbewegungen rufen Panik hervor.
Aber wozu führt ständiger Stress, besonders in der Schwangerschaft? Und was sind die Vorteile von mehr Entspannung?
Wenn wir gestresst sind, ist unser sympathisches Nervensystem aktiviert. Dadurch steigt unser Blutdruck, die Herzfrequenz, die Durchblutung der Skelettmuskulatur (also nicht der Gebärmutter), Adrenalin und Cortison wird ausgeschüttet. Wir sind bereit für Flucht oder Kampf. In vielen Stresssituationen können wir aber weder das eine noch das andere. Im Job oder mit den großen Kindern müssen wir einen kühlen Kopf bewaren, wenn wir uns um das Baby in unserem Bauch sorgen, tun wir nichts aktiv, was die Stresshormone abbaut. Der Stress, dem wir ausgesetzt sind macht nicht nur uns, sondern auch dem Baby krank, das zeigen zahlreiche Untersuchungen.
Durch Stress und große Angst im dritten Semester erhöhte sich das Risiko eines Notkaiserschnittes und anderer Eingriffe während der Geburt [1, 2]. Stress in der Schwangerschaft kann unter Umständen das mütterliche vaginale Mikrobiom verändern, zum Nachteil des Neugeborenen. Die Bakterien in der Vagina der Frau werden bei der Geburt an das Baby weiter gegeben und beeinflussen unter anderem dessen Gehirnentwicklung [3]. Weiterhin hatten Mütter, deren Kinder an ADHS litten, mehr Stress in der Schwangerschaft mit dem betroffenen Kind als mit einem nicht-betroffenen Geschwisterkind [4].
Die positiven Auswirkungen von Stressreduktion und aktiver Entspannung während der Schwangerschaft sind recht gut untersucht [5].
Schwangere Frauen, die regelmäßig kurze Entspannungsübungen machten
- fühlten sich emotional besser
- wurden weniger häufig ins Krankehaus eingewiesen
- hatten eine längere Schwangerschaftsdauer, das heißt Frühgeburtsrisiko nahm signifikant ab mit entsprechend positiven Folgen für Mama und Kind [6]
- hatten weniger Kaiserschnitte
- hatten weniger Komplikationen nach der Geburt
Auch die Babys deren Mütter Entspannungstechniken benutzten
- hatten eine besser Herzrate
- hatten ein höheres Geburtsgewicht
- zeigten besseres Verhalten nach der Geburt
Entspannung tut also gut in der Schwangerschaft. Doch wie erreicht man mehr Entspannung?
Allgemein gilt: Dein Körper folgt Deinem Geist. Wenn Dein Geist sich beruhigt, entspannt sich auch Dein Körper. Wenn Du andersrum Deinen Körper aktiv entspannst wirst Du sehen, dass auch Dein Geist zur Ruhe kommt. Du kannst mit relativ einfach Methoden, die Du leicht in Deinen Alltag integrieren kannst, gezielt Entspannung in Dein Leben bringen:
Sport
Sport ist nicht direkt eine Entspannungsmethode. Aber durch Sport werden Stresshormone abgebaut. Außerdem hält er Dich fit und nach dem Sport werden Endorphine, also Glückshormone, ausgeschüttet. Auch wenn man es in der Schwangerschaft nicht zu sportlichen Höchstleistungen treiben sollte, moderate sportliche Aktivität ist für die allermeisten Schwangeren gut. Yoga ist besonders gut geeignet, weil Du durch Yoga flexibel bleibst, atmen übst und Deine Muskeln stärkst. Erkundige Dich doch mal nach einem Yoga-Kurs für Schwangere. Oft sind auch Entspannungsübungen ein Teil des Kurses.
Progressive Muskel-Relaxation
Bei der PMR-Methode nach Jacobsen spannt man nacheinander bestimmte Muskelgruppen stark an, um dann ganz bewusst zu entspannen (zum Beispiel die Hand, den Arm, den Kiefer usw.). Durch den starken Kontrast zwischen aktiver Anspannung und Entspannung, erreicht man eine tiefere Muskelentspannung als wenn man einfach nur „locker lassen“ würde. Zudem wird Dein Verstand durch die Konzentration auf die einzelnen Körperteile abgelenkt und „vergisst“ sozusagen das Grübeln und Sorgen machen. Bei YouTube gibt es geführte PMR-Sitzungen, zum Ausprobieren reicht das allemal. Mit dem GU-Ratgeber PMR war ich auch sehr zufrieden.
Meditation
Es gibt sehr viele verschiedene Arten zu meditieren. Wer es noch nie versucht hat, beginnt am besten mit einer geführten Meditation, wer schon Erfahrungen hat, kann sich auch an einer einfachen Technik versuchen, wie zum Beispiel der Konzentration auf den Atem oder die Hände. Man versucht dabei „in den gegenwärtigen Moment“ zu kommen und sich nicht seinen Gedanken zu verlieren. Das erfordert am Anfang viel Geduld und vor allem Nachsicht mit sich selbst, wenn man schon wieder abgeglitten und frustriert darüber ist, dass man in Gedanken schon die nächste Email, den Einkauf oder Abend geplant hat. Aber es wird einfacher mit der Zeit und wer oft Meditiert hat weniger Ängste [7] und ist allgemein gesünder [8]. Man kann auch Mini-Meditationen in den Alltag einbauen, etwa beim Treppensteigen, auf der Toilette oder an einer roten Ampel.
Autogenes Training
Das Autogene Training ist vielen bekannt und auch jemand, der nichts mit so „abgefahrenen Sachen“ wie Meditation oder Hypnose zu haben will, kann sich darin wiederfinden. Das Wort Autogen Bedeutet dabei nichts anderes als „von innen hervorgerufen“. Man trainiert hier also eine von innen hervorgerufene Entspannung. Unzählige kostenlose Videos finden sich dazu im Netz.
Geführte Hypnosen
Hypnosen können dazu dienen, zum Beispiel Ängste vor der Geburt aufzulösen, Deine Gedanken ziehen zu lassen, Dich auf die Geburt einzustimmen, Deinen Körper noch mehr zu entspannen. Ganz allgemein gesagt ist eine Hypnose eine Meditation mit einem bestimmten Ziel. Es gilt, sich zu entspannen, sich zu öffnen. Man befindet sich in wachem Zustand, ist aber relativ (natürlich variiert das stark von Person zu Person) beeinflussbar, so dass man bestimmten Vorgaben folgt. Man kann aber nie zu etwas „hypnotisiert“ werden, was man nicht möchte. Man bleibt immer bewusst. Es gibt eine Reihe verschiedener geführter Hypnosen bei YouTube, bei Amazon bzw. iTunes und zum Beispiel auch im Hypnobirthing-Buch.
Noch ein paar grundlegende Tipps für Entspannungsübungen:
- Geh vorher auf Toilette und trinke etwas, damit Du während der Übung nicht unterbrechen musst. Unser Verstand sucht sicher gern solche „Ausreden“ um aus dem (anfangs) unangenehmen „nicht beschäftigt sein“ heraus zu kommen.
- Sorge dafür, dass Du so ungestört wie möglich bist.
- Suche Dir eine bequeme Position, je nachdem was Dein Ziel ist. Versuchst Du Dich vor dem Einschlafen zu entspannen, lege Dich hin, versuchst Du aktiv die Entspannung zu üben bleibst Du vielleicht lieber sitzen (damit Du nicht einschläfst). Du solltest während der Übung weder Arme noch Beine überkreuzen.
- Entspanne Dein Kiefergelenk aktiv. Das spannen wir häufig unterbewusst stark an, viele den ganzen Tag lang. Wenn Dein Kiefergelenk angespannt ist, ist eine Entspannung des restlichen Körpers auch schwer.
Oft höre ich Aussagen wie: „Ich kann mich auf so etwas nicht einlassen“ oder: „Bei mir funktioniert das nicht.“ Wenn es Dir so geht, dann möchte ich Dich dennoch ermutigen, eine der Entspannungstechniken auszuprobieren. Du wirst sehen, es ist ähnlich wie Fahrradfahren. Man muss auch Entspannung ein wenig üben, mit der Zeit wird es leichter. Und wie Du gesehen hast, es lohnt sich.
Das aktive Entspannen während der Schwangerschaft hat noch einen weiteren Vorteil: Du bereitest Dich darauf vor, auch während der Geburt entspannt zu bleiben (geistig und körperlich) und damit den Angst-Spannungs-Schmerz-Zyklus zu durchbrechen, der für die starken Geburtsschmerzen, die die meisten Frauen erleben, verantwortlich ist. Die beste Vorraussetzung für eine schmerzarme Geburt.
Wenn mein Beitrag Dir gefallen hat, dann lass es mich wissen, darüber würde ich mich sehr freuen. Wenn Du Fragen zum Thema oder Anregungen für weitere Artikel hast, dann schreibe mir doch gern einen Kommentar oder kontaktiere mich direkt. Vielleicht bist Du selbst gerade schwanger und hast Angst vor der Geburt Deines Babys? Ich würde mich freuen, Dir persönlich helfen zu können (natürlich kostenlos!).
Ich wünsche Dir alles Gute und viel Kraft auf Deinem Weg. – Susanne
[1] Fear of childbirth during pregnancy may increase the risk of emergency cesarean section. (1998) Elsa Lena Ryding, Barbro Wijma, Klaas Wijma and Håkan Rydhström. Acta Obstetricia et Gynecologica Scandinavica. 77(5): pp 542–547. LINK
[2] Obstetric outcome for women who received individualized treatment for fear of childbirth during pregnancy. (2012) G SYDSJÖ, A SYDSJÖ, C GUNNERVIK, M BLADH and A JOSEFSSON. Acta Obstetricia et Gynecologica Scandinavica. 91(1): pp 44–49 LINK
[3] Alterations in the Vaginal Microbiome by Maternal Stress Are Associated With Metabolic Reprogramming of the Offspring Gut and Brain. (2015) Eldin Jašarević, Christopher L. Howerton, Christopher D. Howard, and Tracy L. Bale. Endocrinology 156(9) LINK
[4] Maternal Stress during Pregnancy, ADHD Symptomatology in Children and Genotype: Gene-Environment Interaction. (2012) Natalie Grizenko, Marie-Eve Fortier, Christin Zadorozny, Geeta Thakur, Norbert Schmitz, Renaud Duval and Ridha Joober. J Can Acad Child Adolesc Psychiatry. 21(1): 9–15. LINK
[5] Relaxation During Pregnancy: What Are the Benefits for Mother, Fetus, and the Newborn? A Systematic Review of the Literature. (2012) NS Fink, C Urech, M Cavelti, J Alder. Journal of Perinatal & Neonatal Nursing. 26(4): pp 296–306 LINK
[6] The effectiveness of a relaxation training program for women with preterm labour on pregnancy outcomes: A controlled clinical trial. () Li-Lan Chuanga, Li-Chan Linb, Po-Jen Chengc, Chung-Hey Chend, Shiao-Chi Wue, Chuan-Lin Chang. International Journal of Nursing Studies. 49(3): 257–264 LINK
[7] Effectiveness of a meditation-based stress reduction program in the treatment of anxiety disorders. (1992) American Journal of Psychiatry. 149(7): 936-943 LINK
[8] Religiosity/spirituality and health: A critical review of the evidence for biological pathways. (2003) Seeman, Teresa E.; Dubin, Linda Fagan; Seeman, Melvin. American Psychologist, Vol 58(1): 53-63. LINK
Hallo
Bei mir klappen die oben genannten Entspannungsübungen gar nicht. Als ich Tai-Chi kennengelernt habe war es genau mein Ding:) !
Liebe Grüsse
Citronie
LikeLike
Hi Citronie :)
Danke für deinen Kommentar. Tai Chi hört sich klasse an, habe ich noch nie gemacht, aber ich bin sicher es ist entspannend! Danke dass Du Deine Erfahrungen teilst :)
Alles Gute für Dich und liebe Grüße
Susanne
LikeLike