Surrender

Often times, the greatest peace comes of surrender.

– Richard Paul Evans

surrender (engl.) – die Kapitulation, die Auslieferung, die Hingabe

Heute möchte ich über einen wichtigen Aspekt von Geburt schreiben, der mir erst kürzlich wirklich bewusst geworden ist – ohne den aber trotzdem, meiner Meinung nach, keine natürliche schmerzarme Geburt möglich ist: die absolute Auslieferung – Hingabe – Kapitualtion an den Geburtsprozess selbst.

Mit Auslieferung meine ich aber nicht, dem medizinischen Personal oder einer anderen Person ausgeliefert zu sein, auf keinen Fall! Deshalb ist es ja so unheimlich wichtig, seinem Geburtsteam aus Partner und/oder Hebamme (falls man es hat und keine absolute Alleingeburt plant) hundertprozentig vertrauen zu können. Ich meine etwas anderes und für diese Art der Kapitulation braucht man grenzen- und bedingungslosen Rückhalt im Hintergrund.

Ich finde, hier (wie auch an vielen anderen Stellen im Leben) passt der folgende Spruch sehr gut:

Gib mit die Gelassenheit, Dinge anzunehmen, die ich nicht ändern kann.

Gib mir den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann.

Und gib mir die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

Wenn wir in unangenehmen Situationen sind – eine Prüfung, eine Aufgabe zu Hause oder auf Arbeit, eine Herausforderung beim Sport – dann neigen wir (und damit meine ich ganz bestimmt auch mich selbst ;) ) oft dazu, uns dagegen innerlich so zu sträuben, dass die sowieso schon unangenehme Aufgabe noch beschwerlicher und unangenehmer wird. Wer während eines Marathons die ganze Zeit denkt: „Meine Güte, wann ist das hier endlich vorbei!“ –  „Ich will nach Hause!“ – „Ich kann nicht mehr!“, der macht es sich durch seine inneren Widerstand so so viel schwerer als der, der – bei gleicher körperlicher Verfassung und den gleichen Unannehmlichkeiten – positiv denkt oder – und das ist vielleicht noch besser – gar nicht denkt und beurteilt, sondern einfach nur läuft. Wer schon mal so eine lange Strecke gelaufen ist, der weiß auch, dass man irgendwann nicht mehr selbst läuft, sondern der Körper läuft sozusagen „für einen“.

Eine Geburt ist in vielen Dingen einem Marathon sehr ähnlich. Mit einer Ausnahme: beim Marathon kann man immer noch aufhören. Wenn man es nicht schafft, kann man nach Hause gehen. Die Geburt – einmal begonnen – lässt sich normalerweise nicht mehr aufhalten. Und wenn man sich dann innerlich gegen jede Kontraktion auflehnt, wenn man sich innerlich sperrt und nur wünscht, es wäre endlich vorbei und man könne aussteigen, dann wird der Geburtsprozess viel schwerer werden als nötig.

Der Prozess der Geburt, das Öffnen des Körpers, der Durchtritt des Köpfchens, ist definintiv eine Situation, die man hinnehmen muss (noch mal: ich meine hier nicht die nicht Umstände, die einem aufgezwungen werden, wie zum Beispiel die Rückenlage etc.). Wenn man sich ganz bewusst in diesem Moment seinem Körper „unterwirft“ und ihn die Geburtsarbeit machen lässt, zum Beispiel durch Entspannung, das richtige Atmen, aber auch Visualisierungen oder Hypnose (eine Verfassung in dem das Unterbewusstsein sehr beeinflussbar ist).

Aber wieso fällt uns die Hingabe, die Kapitulation so schwer? Ein Teil der Antwort ist sicher Äbhängigkeit. Abhängigkeit vom Körper, Aufgabe über aktive Bestimmung. Abhängigkeit von Prozessen, die wir mit unserem Verstand nur schwer greifen können und die unheimlich vielschichtig sind (biologischer, evolutionärer, psychologischer Natur etc). Diese Äbhängigkeit sind wir nicht gewohnt und sie überrumpelt uns vollkommen wenn die ersten starken Kontraktionen während der Geburt beginnen. Und dann ist genau der Zeitpunkt gekommen, es zuzulassen statt dagegen anzukämpfen, entspannen statt anzuspannen, sich zu öffnen, statt sich zu verschließen. Zum Loslassen gehört Vertrauen. Vertrauen in die eigenen weiblichen Fähigkeiten. In die Fähigkeiten des eigenen Körpers, dieses Wunderwerks, dass ein Baby empfangen und genährt hat, dass es wachsen lies, ohne unser Zutun und versorgte, ohne dass wir dies bewusst steuerten. Und genauso kann der weibliche Körper, wenn wir ihn nur lassen, dieses Kind auch gebären. Und genau dieses Zulassen ist es, was ich meine, wenn ich „surrender“ schreibe.

Dieses Loslassen können wir im Vorfeld bereits üben und es hilft nicht nur für die Geburt, sondern auch in Alltagssituationen: Wenn mir ein Glas herunter fällt, schimpfe ich nicht selten mit mir, rege mich auf und denke: „Jetzt muss ich das fünf Minuten lang zusammenkehren und wegputzen! Das Glas ist obendrei futsch.“ Aber bringt mir das das Glas zurück? – Ganz sicher nicht. Macht es die Situation einfacher für mich? -Nein. Was passiert aber wenn ich tief durchatme, innerlich einen Schritt zurück trete und das Geschehene akzeptiere – ohne mich selbst fertig zu machen und diesen innerlichen Widerstand gegen das Aufräumen aufgebe? – Die Situation klärt sich mehr oder weniger von allein. Ein kaputtes Glas ist nicht das Ende der Welt und ist auch schnell aufgeräumt.

Das heißt jetzt natürlich nicht, dass ich täglich ein Glas kaputt schmeiße oder in Zukuft unvorsichtiger mit meinem Porzellan sein werde. Es heißt nur, dass ich das akzeptiere was nun mal geschehen ist, denn kein Groll der Welt macht es ungeschehen, kein Hadern und kein Ärgern. Alles was Widerstand, Ärger oder auch Angst tun, ist die Situation schlimmer zu machen als sie sein müsste.

Und nein, ich bin ganz sicher nicht perfekt darin, solche Situationen zu meistern – eher im Gegenteil. Ich ärgere mich über den verpassten Bus, den Regenschauer, der natürlich immer dann beginnt, wenn ich auf dem Fahrrad sitze und viele andere Malheure, die mir im Alltag passieren. Ich denke aber, gerade während meiner zweiten Geburt ist es mir (im Gegensatz zu meiner ersten) ganz gut gelungen, diese Fremdbestimmtheit anzunehmen und zuzulassen und das hat sicher einen guten Teil dazu beigetragen, dass sie so friedlich und schmerzarm war.


Wenn mein Beitrag Dir gefallen hat, dann lass es mich wissen, darüber würde ich mich sehr freuen. Wenn Du Fragen zum Thema oder Anregungen für weitere Artikel hast, dann schreibe mir doch gern einen Kommentar oder kontaktiere mich direkt. Vielleicht bist Du selbst gerade schwanger und hast Angst vor der Geburt Deines Babys? Ich würde mich freuen, Dir persönlich helfen zu können (natürlich kostenlos!).

Ich wünsche Dir alles Gute und viel Kraft auf Deinem Weg.  – Susanne


 

 

 

4 Gedanken zu “Surrender

  1. ich bekommen mein erstes kind und plane eine hausgeburt. mit der einstellung, dass alles gut ist, wie es ist und dem vertrauen in mich, meinen körper und das baby, schaue ich der geburt sehr entspannt entgegen. ich denke, heutzutage wird einem so viel eingeredet und auch so viel verantwortung abgenommen, dass man als frau seine eigenen gefühle oft gar nicht mehr richtig wahrnehmen kann und oft blind den ärzten,hebammen, schwestern vertraut.
    ich hoffe ich kann meine positive einstellung auch noch behalten, wenn es dann wirklich so weit ist. die hingabe und das ‚einfach zulassen‘ werden mir sicher dabei sehr helfen.
    lg cao

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    1. Hey Cao :) Danke für Deinen netten Kommentar :D ich finde es wunderbar, dass Du der Geburt entspannt entgegen siehst. Ich bin sicher du hast eine tolle Hebamme, die dich gut berät und in deinen Vorhaben unterstützt. Wenn Du noch Fragen hast kannst du mir sehr gern schreiben :)
      Viele liebe Grüße und alles Gute für deine Schwangerschaft
      Susanne

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  2. Da schreibt du; liebe Sanne, mal wieder so einen schönen Artikel! Er spricht mir aus dem Herzen! Ich kann nur bestätigen, dass das LOSLASSEN für mich der Schlüssel zur schmerzfreien und lustvollen Geburt war. Die Wichtigkeit der Hingabe, war mir gar nicht so bewusst gewesen, aber unter der Geburt selbst kam ich zu einem Punkt – einen Scheideweg – an dem ich mich innerlich entscheiden musste. ich führte sogar in innerliches Selbstgespräch. Wägte ab, ob ich das wirklich kann und lies dann vollends los! Die beste Entscheidung meines Lebens! #Geburtslust ;-)
    Liebe Grüße
    Mother Birth

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