Erfahrungsbericht: Epi-No®

Den Damm auf die Geburt vorbereiten – aber wie?

Angeregt von einem Gespräch auf Twitter mit @MotherBirth und @FrauWenkse schreibe ich heute mal meinen Erfahrungsbericht über den Epi-No auf. Ich bekomme dafür kein Geld, das ist auch keine Werbeveranstaltung. Nur meine persönliche Erfahrung und die Studien die ich dazu finden konnte. Deshalb verlinke ich die Website auch nicht, ich denke ihr alle wisst, wie man Internetsuchmaschinen benutzt ;)

Zunächst einmal ein Disclaimer: Nein, ich denke nicht, dass man das Gerät unbedingt für eine Geburtsvorbereitung braucht. Und ja: es ist „unnatürlich“ die Scheide bzw. den Dammbereich vorher mit einem Ballon zu dehnen. Während der Geburt ist auch die hormonelle Situation noch mal anders und der Bereich sicher noch dehnbarer als in den Tagen davor. Deshalb wird der Epi-No oft von Hebammen und auch Müttern abgelehnt. Das finde ich legitim. Ich denke aber auch, dass eine Dammmassage zum Beispiel nicht unbedingt natürlich ist (ich wüsste nicht, welches Tier das macht…), trotzdem wird dies oft von den gleichen Leuten angewendet oder empfohlen, die den Epi-No ablehnen. Unnatürlich ist nicht unbedingt schlecht. Toiletten, Händewaschen mit Seife und Blinddarmentfernungen sind nicht gerade natürlich, aber dennoch sinnvoll. Man muss immer abwägen was einem wichtiger ist und was sinnvoll erscheint. Die Entscheidung das Gerät zu nutzen oder nicht muss natürlich jede selbst treffen – aber um sich zu entscheiden muss man ja erstmal davon wissen.

Was ist der Epi-No?

Die Möglichkeit einer Verletzung des Dammes oder der Scheide unter der Geburt versetzt viele Frauen in Angst. Und das ist ja auch verständlich. Ein so intimer Bereich reißt da quasi entzwei oder wird – noch schlimmer – geschnitten (medizinisch: Episiotomie). Oft werden Dammmassagen und Himbeerblättertee als Vorbereitung für den Damm empfohlen. Der Epi-No geht quasi einen Schritt weiter als die Dammmassage. Die Idee dahinter ist recht simpel: Der Beckenbodenmuskel muss sich bei einer vaginalen Geburt stark dehnen und wenn man ihn bereits vorher dehnt, dann entstehen weniger Verletzungen. So wie auch ein Akrobat sich vor einem Spagat dehnt und die Bewegung langsam trainiert. Der Epi-No ist eine Art Ballon an dem über einen Schlauch eine Pumpe angebracht ist. Den Ballon führt man nach der vollendeten 37. Woche vaginal ein, pumpt ihn auf und dehnt damit die Scheide vor, so dass Dammrisse, Dammschnitte oder andere Verletzungen verhindert werden sollen. Der Durchmesser auf den der Ballon aufgepumpt wird, wird dabei langsam gesteigert, bis er nach zwei bis drei Wochen circa einen Durchmesser erreicht, der dem Kindskopf nahe kommt. Entwickelt wurde er von einem Arzt, der eine vergleichbare Methode bei Frauen in Afrika beobachtete [1].

Wieso habe ich den Epi-No benutzt?

Vor meiner ersten Geburt kannte ich den Epi-No nicht und habe, wie mir empfohlen wurde, Dammmassagen und Himbeerblättertee genutzt, um mein Gewebe auf die Geburt vorzubereiten. Ich trank den Tee, dessen Geschmack zwar gewöhnungsbedüftig aber OK ist. Etwa um die Zeit als ich anfing den Tee zu trinken (38. Woche) bekam ich Bluthochdruck, der im Krankenhaus medikamentös eingestellt werden musste. Später las ich Erfahrungsberichte von Frauen, bei denen es ähnlich war. Auch wenn ich dazu keine Studien habe, halte ich es nicht für ausgeschlossen, dass der Tee den Blutdruck mit beeinflusst haben könnte. Ich lies ihn deswegen in der zweiten Schwangerschaft vorsichtshalber weg.

Die Dammmassage machte ich vor meiner ersten Geburt täglich mit einem speziellen Öl. Ich empfand das weder als angenehm noch als besonders schlimm. Allerdings habe ich wohl zu wenig auf Hygiene geachtet (und ja, ich habe darauf geachtet), so dass ich im ersten Wochenbett eine Pilzinfektion hatte – etwas das ich niemandem Wünsche. Durch die Blutung halten die Medikamente nämlich nicht besonders gut und ich plagte mich damit mehrere Wochen rum.

Aus den oben genannten Gründen wollte ich meinen Damm nicht besonders auf die zweite Geburt vorbereiten. Hatten doch alle Bemühungen irgendwie nichts genützt und ich hatte trotzdem einen Dammriss II. Grades erlitten. Dieser war zum Glück ganz gut genäht worden und super verheilt. Angenehm war es natürlich trotzdem nicht gewesen, wie man sich vielleicht vorstellen kann. Auch die ersten Wochen nach der Geburt sind sehr unangenehm, weil Urin beim Wasserlassen immer wieder die Wunde reizte (da hilft übrigens ein Messbecher oder ähnliches mit laurwarmen Wasser, das man gleichzeitig darüber laufen lässt) und ich auch nicht richtig Sitzen konnte. Ich las dann vom Epi-No. Der stolze Preis und das aufwendige Training schreckten mich zunächst etwas ab. Trotzdem bestellte ich ihn und fing an 37+0 mit dem Training an. Eher wird vom Hersteller nicht empfohlen, wegen einem Frühgeburtsrisiko für das er natürlich die Verantwortung nicht übernehmen möchte. Es gibt aber keine Hinweise auf ein Risiko, es ist einfach eine Absicherung.

Training mit dem Epi-No

Das Training an sich war nicht so unangenehm wie gedacht. Ich nahm mir bewusst täglich eine Auszeit in der mich auch niemand stören durfte und in der ich mich nur der Geburt und mir selbst widmete. Ich achtete sehr auf Hygiene (siehe oben) und benutzte zusätzlich ein Kondom, das ich immer kurz vor der Benutzung über den Ballon stülpte. Während des Trainings hörte ich immer meine Entspannungshypnose, so dass ich das für den Tag auch gleich abhaken konnte ;) Ich achtete sehr auf die Signale meines Körpers, was nicht ging, ging eben nicht. Ich machte auch nicht unbedingt kontinuierliche Fortschritte, aber über die Zeit wurde der Durchmesser des Ballons trotzdem größer. Ich finde es sehr wichtig zu betonen: Wenn man mit dem Gerät übt, sollte man verantwortungsbewusst damit umgehen. Das Letzte was man in der 38. Woche gebrauchen kann ist eine Verletzung im Intimbereich. Das ist kein Wettbewerb und auch wenn man mal ein paar Tage keine Verbesserung sieht, sollte man nur soweit gehen wie man es aushält.

Hat das Training etwas gebracht und wenn ja was?

Das ist natürlich eine sehr sehr subjektive Aussage. Ich würde sagen ja. A b e r (das musste jetzt natürlich hinterher kommen ;) ) meine zweite Geburt war komplett anders als meine erste. Ich war entspannter, ich war im Wasser, niemand hat mich zum Pressen angeleitet und der Kopf meines zweiten Sohnes war kleiner als der meines ersten. Und es war eben meine zweite Geburt, das allein hat ja auch schon Einfluss. Außerdem haben Frauen bei Hausgeburten oft sowieso ein geringeres Verletzungsrisiko [6].

Trotzdem würde ich den Epi-No wieder benutzen. Zu allererst weil meiner Meinung nach die Entspannungsübung, die ich dazu immer gehöhrt habe, mit dem Dehnungsgefühl das man beim Austritt des Köpfchens merkt, verbunden hat. Ich konnte mich entspannt an das Gefühl gewöhnen. Während ich bei meiner ersten Geburt dachte: „Oh Gott, der Kopf muss ja jetzt DA durch!“, war es bei der zweiten ein vertrautes Gefühl, das mir keine Angst machte. Und das ist finde ich, ist allein schon das Training wert gewesen. Außerdem hatte ich nach meiner zweiten Geburt keine – absolut keine – Verletzungen. Meine Hebamme (die von dem Epi-No nichts wusste) war absolut baff. Ich hatte auch auf der Toilette keine Probleme. Nichtmal ein kurzes Brennen. Ich schreibe das nicht alleine dem Epi-No zu, dazu waren wie gesagt zu viele Faktoren zu unterschiedlich. Aber ich persönlich denke, er hatte schon einen positiven Einfluss.

Was sagen Studien zum Epi-No?

Den Epi-No gibt es seit über 15 Jahren und es gibt einige Erfahrungsberichte und auch Studien dazu. Viele Erfahrungsberichte, wie der des Geburtshaus in Stans, sind recht positiv (es gibt mehr auf der Epi-No-Website, aber die sind natürlich alle einer gewissen Vorauswahl unterlegen). Eine erste deutsche Studie war ganz positiv [2]. Die Dammschnittrate konnte deutlich (wissenschaftlich: statistisch signifikant*) gesenkt werden (aber die Rate war auch danach noch unerhört hoch, was in meinen Augen nicht gerade für die Klinik spricht..). Dammrisse ersten und zweiten Grades waren auch deutlich geringer, genauso wie die Länge der Austreibungsphase. Auch der Apgar-Wert der Kinder war besser [2]. Die Wahrscheinlichkeit auf Verletzungsfreiheit stieg mit Anzahl der Trainingstage an. Die Studie war jedoch recht klein (nur 50 Frauen). Weitere Studien folgten, deren Ergebnisse nicht ganz so glasklar waren. Frauen, die den Epi-No benutzten, hatten bedeutend öfter (statistisch signifikant) einen intakten Damm und geringere Wahrscheinlichkeit auf Risse [3]. Es gab weniger (aber nicht signifikant weniger) Dammschnitte bei den Frauen, die den Epi-No zur Vorbereitung benutzt hatten [3, 4]. Es wurde auch eine möglicherweise geringere Rate (nicht signifikant) an Mikro- und Makrotraumata der Beckenbodenmuskulatur berichtet [1]. Unterschiede in Länge der Geburt oder Schmerzmittelnutzung konnten nicht gezeigt werden [4].

Nicht jede Studie findet geringere Dammschnitt- oder Verletzungsraten [1] und in allen Studien gibt es auch Frauen, die trotz der Benutzung eine Dammverletzung hatten. Der Epi-No verursacht aber auch keine nachteiligen Effekte wie zum Beispiel Inkontinenz, er schadet dem Beckenboden also nicht [5]. In vielen Studien wird auch berichtet, dass die Frauen durch das Training weniger Angst vor der vaginalen Geburt hatten, was sich mit meinen Erfahrungen deckt. Dammmassagen haben übrigens auch einen Effekt, der in Studien gezeigt werden kann, also wer sich ganz „old school“ vorbereiten will, der macht auch nichts falsch.

Würde ich den Epi-No weiterempfehlen?

Ja. Und das habe ich auch schon gemacht. Allerdings würde ich ihn nicht jeder Frau empfehlen. Es gibt Frauen, denen macht der Gedanke an einen Dammriss nicht viel aus. Und sie haben Recht, das Dammgewebe ist zum Reißen gemacht und heilt unheimlich gut. Und dass man eine wahrhaftige Traumgeburt trotz DR III haben kann, schreibt MotherBirth in ihrem Geburtsbericht sehr eindrucksvoll. Also man braucht den Epi-No bestimmt nicht unter allen Umständen. Es gibt aber Frauen, die verkrampfen bei der Vorstellung einer Geburtsverletzung total und einige möchten deshalb sogar einen Kaiserschnitt. Solchen Frauen würde ich empfehlen, sich umfassend zu informieren und damit auseinanderzusetzen und dann zu entscheiden, ob das Training mit dem Epi-No für sie möglicherweise in Frage kommt.

Liebe Grüße,

Susanne

 


Wenn Du Fragen zum Thema Hypnobirthing oder schmerzarme Geburt hast bzw. Anregung für einen neuen Artikel, kannst Du mir auch gern persönlich schreiben. Ich freue mich auch über einen Like unter dem Artikel oder bei Facebook.


 

*Das bedeutet, dass die zwei Testgruppen (mit und ohne Training) deutlich unterschiedlich waren. Zur Bestimmung der Signifikanz gibt es statistische Tests, die man mit den Daten am Ende einer Studie durchführt um ein möglichst objektives Ergebnis zu erhalten. Ganz einfach gesagt: erst  wenn ein Ergebnis signifikant ist, ist es in einer Publikation etwas wert, weil alles andere auch Zufall sein könnte.

[1] Shek, K. L., Chantarasorn, V., Langer, S., Phipps, H., & Dietz, H. P. (2011). Does the Epi-No® Birth Trainer reduce levator trauma? A randomised controlled trial. International urogynecology journal, 22(12), 1521-1528. LINK
[2] Hillebrenner, J., Wagenpfeil, S., Schuchardt, R., Schelling, M., & Schneider, K. T. M. (2001). Erste klinische Erfahrungen bei Erstgebaerenden mit einem neuartigen Geburtstrainer Epi-no® 1. Zeitschrift für Geburtshilfe und Neonatologie, 205(1), 12-19. LINK
[3] Kovacs, G. T., Heath, P., & Heather, C. (2004). First Australian trial of the birth‐training device Epi‐No: A highly significantly increased chance of an intact perineum. Australian and New Zealand journal of obstetrics and gynaecology, 44(4), 347-348. LINK
[4] Ruckhäberle, E., Jundt, K., Baeuerle, M., BRISCH, K. H., Ulm, K., Dannecker, C., & Schneider, K. T. M. (2009). Prospective randomised multicentre trial with the birth trainer EPI‐NO® for the prevention of perineal trauma. Australian and New Zealand Journal of Obstetrics and Gynaecology, 49(5), 478-483. LINK
[5] Dannecker, C., Baur, C., Ruckhäberle, E., Peschers, U., Jundt, K., Reich, A., & Schneider, K. T. M. (2004). Einfluss des Geburtstrainers Epi-No® auf die mütterliche Beckenbodenfunktion sechs Monate nach Entbindung: Follow-up einer prospektiven und randomisierten Studie. Geburtshilfe und Frauenheilkunde, 64(11), 1192-1198. LINK
[6] Aikins Murphy, P., & Feinland, J. B. (1998). Perineal outcomes in a home birth setting. Birth, 25(4), 226-234. LINK

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Braucht man einen Geburtsvorbereitungskurs?

Diese Frage wird mir häufig gestellt. Ziemlich häufig sogar. Braucht man einen Geburtsvorbereitungskurs? Wie sinnvoll ist so ein Kurs? Und ist ein Hypnobirthingkurs anders und eventuell sinnvoller zu belegen? Und ist er das Geld wert? Ich versuche mal die Frage so dezidiert wie möglich zu beantworten, aber wie so oft kann ich natürlich nur aus meiner eigenen Perspektive schreiben. Eine definitive Antwort für jeden kann ich bestimmt nicht geben. Gerade deswegen würde mich Eure Meinung in den Kommentaren interessieren, wie habt ihr euren Geburtsvorbereitungskurs erlebt? Würdet ihr noch mal einen machen? Hattet ihr einen Hypnobirthing-Geburtsvorbereitungskurs? Fandet ihr, er war das Geld wert?

Der normale Geburtsvorbereitungskurs

In meiner ersten Schwangerschaft habe ich zusammen mit meinem Mann einen Paar-Geburtsvorbereitungskurs im örtlichen Geburtshaus besucht, wo auch die Vorsorgeuntersuchungen durch meine Beleghebammen stattfanden. Ich fühlte mich immer wohl dort und fand die Atmosphäre sehr angenehm. Auch das Gebärzimmer anzusehen war spannend, auch wenn ich zur Geburt ins Krankenhaus gehen wollte (so eine Gebärwanne sieht man ja nicht aller Tage ;) ). Der Geburtsvorbereitungskurs war durchschnittlich würde ich sagen (auch wenn ich keinen Vergleich habe). Es gab Tee, es war eine lockere Atmosphäre und ich habe eine Freundin kennengelernt, mit der ich noch heute in Kontakt bin. Außerdem wurden die Kosten für den Kurs von der Krankenkasse getragen. Wir hatten auch kein Geschwisterkind, das betreut werden musste und das Geburtshaus war nur 5 Minuten  (ok, später, als ich deutlich langsamer voran kam, 10 Minuten) von meiner Arbeit entfernt. Ich genoss die Auszeit vom Alltag während des Kurses, die Massagen und Gespräche und dass diese Zeit sich exklusiv um meinen Bauch drehte. Alles in allem empfand ich den Kurs zum Zeitpunkt der Schwangerschaft ganz positiv – bei quasi keinem Aufwand. Nach der Geburt trafen wir uns auch in einer kleinen Gruppe mit den Babies zum Erzählen und Austauschen einige Male, was für eine junge Mama wie mich (ich war die erste aus meinem Freundeskreis, die ein Kind bekam und musste erstmal „Mama-Kontakte“ knüpfen) damals sehr wertvoll war.

Wer meinen Blog schon länger kennt, der weiß, dass meine erste Geburt alles andere als schön war. Inwiefern hat mich der Geburtsvorbereitungskurs tatsächlich auf die Geburt vorbereitet? So viele Themen, die ich hier in meinem Blog (genau aus diesem Grund) anspreche und die ich mittlerweile für essentiell halte um sich auf eine Geburt vorzubereiten, kamen in meinem ersten Geburtsvorbereitungskurs gar nicht vor: Privacy, Geburtsplan, Abnabeln, aber auch wie man mit einem möglichen Kaiserschnitt umgeht, was die Risiken sind und wann er angezeigt ist – wurde nicht besprochen (und das bei 30% Kaiserschnittrate – jede dritte Frau in meinem Kurs hatte statistisch gesehen einen Kaiserschnitt). Obwohl so ein Geburtsvorbereitungskurs ja auch gern mal als „Hechelkurs“ verlacht wird, lernten wir auch keine Atemtechniken, die meiner Meinung nach wirklch zentral sind für eine positive schmerzarme Geburt (und die vorher geübt werden müssen). Wir lernten auch nichts über Selbstbestimmung, wie wichtig diese ist (gerade für Frauen die ins Krankenhaus gehen wollten oder mussten) und wie man den Geburtspartner als wirklichen Unterstützer in Sachen selbstbestimmte Geburt gewinnt und vorbereitet. Wir übten zwar aufrechte Geburtspositionen, wurden aber nicht darauf vorbereitet, dass diese im Krankenhaus nur selten umgesetzt werden – und was das für Auswirkungen haben kann. Oder welche Eingriffe unter der Geburt zwar normal aber eher fragwürdig sind. Elemente aus dem Hypnobirthing wie der Angst-Spannungs-Schmerz-Zyklus kamen „natürlich“ auch nicht vor, genauso wenig die Möglichkeit einer schmerzarmen Geburt – auch wenn ich denke, dass man beides besprechen kann ohne auch nur einmal das Wort „Hypnose“ oder „Hypnobirthing“ in den Mund zu nehmen.

Dafür machten uns die Hebammen aber beispielsweise vor, wie laut man unter den Wehen stöhnt (was natürlich Schmerzen impliziert) und redeten über den Sinn des Geburtsschmerzes. Das finde ich im Nachhinein absolut kontraproduktiv – gerade wenn man dazu noch Schmerzmittel und PDA als „Abkürzung“ verurteilt. Diese Glorifizierung des Schmerzes ohne Aufzeigen einer Alternative empfinde ich schlicht als falsch. Außerdem hörte man natürlich die üblichen Schreckensszenarios und negativen Geburtsgeschichten von anderen Müttern – etwas vor dem man sich unbedingt schützen sollte wenn man eine schmerzarme und selbstbestimmte Geburt möchte.

Wichtig ist mir zu sagen: Ich kann kaum den Geburtsvorbereitungskurs dafür verantwortlich machen, wie meine erste Geburt verlaufen ist. Ich hatte natürlich eine eigene Verantwortung all die oben aufgeführten Themen zu recherchieren, zu hinterfragen und zu üben. Aber gerade wenn man das erste Mal schwanger ist, ist man überwältigt von all der Informationsvielfalt und weiß oft nicht zu unterscheiden was wichtig ist und was nicht. Hier hätte ich mir im Nachhinein eine andere Schwerpunktlegung gewünscht – weniger Kuscheltalk und Kennenlernspiele und mehr „Butter bei die Fische“. Denn in unserem Geburtshilfesystem ist nicht alles rosarot (und schlimmer) und die allermeisten Erstgebärenden kommen mit diesem Fakt erstmals in Berührung wenn es zu spät ist: unter der Geburt. Ich sage nicht, dass man Schwangere unnötig in Panik versetzen oder eine schmerzfreie Geburt anpreisen sollte – aber ein Bewusstsein schaffen für verschiedene Aspekte. Anregungen für eigene Recherchen. Denkanstöße. Das wäre gut.

Fazit #1: Mein normaler Geburtsvorbereitungskurs war recht angenehm. Aber auf die Realität einer Geburt hat er mich nicht wirklich vorbereitet. Wenn Du einen normalen Geburtsvorbereitungskurs machen willst, mach ihn ruhig. Vielleicht findest Du ja eine Freundin mit der Du Freud und Leid der ersten Babyzeit teilen kannst – das ist viel Wert. Aber erwarte nicht unbedingt eine umfassende Aufklärung – die musst Du Dir leider oft selbst organisieren. Frage auf jeden Fall kritisch nach (wie immer ;) ) und sei skeptisch – auch Hebammen und Kursleiterinnen wissen nicht alles.

Der Hypnobirthing-Geburtsvorbereitungskurs

In meiner zweiten Schwangerschaft war mir recht schnell klar: ich will Hypnobirthing anwenden. Aber ich zweifelte natürlich an der Technik und wollte so viele Informationen wie möglich sammeln. Im Buch wird immer mal auf die Kurse verwiesen und deshalb stand für mich fest: ich muss so einen Kurs machen (ich war wirklich verzweifelt nach meiner ersten Geburt ;) ).

Wir machten schließlich einen Wochenendkurs für Paare (beim Hypnobirthing wird ja der Geburtspartner auch sehr einbezogen), an vier Wochenenden immer Sonntags vier Stunden in einer weiter entfernten Stadt. Unser Großer blieb bei den Großeltern. Wir waren insgesamt nur drei Pärchen und die Atmosphäre war auch hier wieder recht gemütlich, inklusive Snacks und Getränken. Der Kurs beinhaltete die inhaltliche Zusammenfassung des Buches, das ich zu dem Zeitspunkt aber schon in und auswending kannte. Für meinen Mann, der das Buch nur als Bruchstücke aus meinen Erzählungen kannte (und es bis zum Schluss der Schwangerschaft nicht gelesen hatte) war das super, weil die gesamte Geschichte und Theorie noch mal aufbereitet wurde, für mich war es  eher nur so mittelspannend. Ich habe in meiner zweiten Schwangerschaft alles zum Thema selbstbestimmte schmerzarme Geburt nachgelesen und in mich aufgesogen und hörte kaum etwas Neues. Auch die Atem- und Entspannungstechniken kannte ich bereits, übte sie aber quasi als „Hausaufgabe“ nach den Kurseinheiten zum ersten Mal wirklich regelmäßig (was mir gut tat). Pro Stunde gab es eine Hypnosesitzung, die ich immer als sehr angenehm und intensiv empfunden habe (mein Mann ist aber jedes Mal eingeschlafen, entsprechend hat es auf ihn nicht so einen tiefen Eindruck gemacht ;) ). Außerdem bekommt man eine CD mit Affirmationen und der Regenbogenentspannung (eine geführte Hypnose), die ich dann schlussendlich auch bei der Geburt gehört habe. Es wird auch auf die Notwendigkeit eines Geburtsplanes, auf Geburtspositionen und Sport und Ernährung während der Schwangerschaft eingegangen (auch wenn ich mit dem Ernährungskonzept nicht 100% einverstanden bin, aber bewusste gesunde und vollwertige Ernährung während der Schwangerschaft halte ich für sehr wichtig).

Ist der Hypnobirthingkurs denn jetzt seinen stolzen Preis wert? Die meistens Kurse kosten so um die 300 -350 € und wenn man die Kosten, die die Kursleiterin hat (Ausbildung, Miete etc.), einbezieht und es mit Beratungen auf anderen Gebieten vergleicht (habt ihr mal einen Termin bei einem Notar gehabt? o.O), dann finde ich es schon gerechtfertigt, auch wenn es erstmal viel klingt. Ich denke trotzdem nicht, dass ich persönlich den Kurs unbedingt gebraucht hätte. Ich habe mir autodidaktisch so viel beigebracht, dass ich durch den Kurs kaum einen Mehrwert hatte. Meinem Mann dagegen hat die intensive Beschäftigung mit dem Thema zu festgesetzten Zeiten schon etwas gebracht. Ich bin mir nicht sicher, ob wir uns auch ohne den Kurs wirklich so viel Zeit genommen hätten um zusammen alles zu besprechen und dass er je Zeit gefunden hätte das Buch mal zu lesen.

Es kommt also ganz auf Dich/Euch an:

Kennst Du das Buch schon auswendig und liest in jeder freien Minute alles was Du zu schmerzarmer und selbstbestimmter Geburt finden kannst? Übst Du die Atem- und Entspannungstechniken und hörst Dir Affirmationen und Hypnosen an? Bist Du sowieso knapp bei Kasse? Hast Du vielleicht Probleme Betreuung für ein Geschwisterkind zu finden? Oder einen sehr langen Anfahrtsweg zum nächsten Kurs?

Hast Du gerade erst von der Möglichkeit einer schmerzarmen Geburt gehört, hast vielleicht auch nicht mehr so viel Zeit übrig um Dich vorzubereiten? Möchtest Du lieber alles von einer ausgebildeten Kursleiterin erklärt haben mit der Möglichkeit gleich nachzufragen? Hast Du genug Geld übrig? Dann mach den Kurs, er wird Dich sicherlich bereichern.

Fazit #2: Mein HB-Geburtsvorbereitungskurs war ganz nett, er hat sehr viele – aber nicht alle – Themen die ich heute für wichtig erachte behandelt, aber unbedingt gebraucht hätte ich ihn nicht. Trotzdem hat es geholfen – in einer Welt in der wirklich jeder (auch meine Hausgeburtshebammen) mir glauben machen wollte, dass Geburt nunmal schmerzhaft sein muss – einem Gegenpol persönlich gegenübersitzen zu haben und Fragen stellen zu können und zu sehen, dass die Idee gar nicht so verrückt ist ;)

Generell denke ich: Es reicht nicht, sich nur und ausschließlich auf einen Kurs (welchen auch immer) zu verlassen und nicht zu Hause zu üben und sich weiter zu informieren, zum Beispiel über Bücher oder Blogs. Die Vorbereitung auf eine Geburt ist ein Marathon, nichts das man mal eben in ein paar Stunden über die Bühne bringt.

Und jetzt interessieren mich mal Eure Erfahrungen, also schreib mir mal einen Kommentar wenn ihr mögt.

Liebe Grüße,

Susanne


Wenn Du Fragen zum Thema Hypnobirthing oder Anregung für einen neuen Artikel hast, kannst Du mir auch gern persönlich schreiben.

Gastbeitrag: Wie Dir Achtsamkeit hilft, Dich auf Deine Geburt vorzubereiten

Ich freue mich heute euch den allerersten Gastbeitrag auf meinem Blog veröffentlichen zu können. Er kommt von Tanja Liebl.

Tanja ist als Hebamme und BeraterinOhne Titel in Österreich in freier Praxis tätig. Zu ihren Schwerpunkten zählen die Geburtsvorbereitung mit Hypnobirthing & Achtsamkeit, Schwangerschaftscoaching und die Aufarbeitung schwieriger Erlebnisse rund um Schwangerschaft und Geburt (EMI-Eye Movement Integration-Traumtechnik).

Oft rauscht unser Alltag (nicht nur aber auch in der Schwangerschaft) einfach so an uns vorbei. Das Konzept von Achtsamkeit versuche ich deshalb immer mehr in mein Leben zu integrieren und es passt meiner Meinung nach sehr gut zum Thema Geburt – ich bin gespannt, was Tanja uns berichtet.

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