Gastbeitrag: Wie Dir Achtsamkeit hilft, Dich auf Deine Geburt vorzubereiten

Ich freue mich heute euch den allerersten Gastbeitrag auf meinem Blog veröffentlichen zu können. Er kommt von Tanja Liebl.

Tanja ist als Hebamme und BeraterinOhne Titel in Österreich in freier Praxis tätig. Zu ihren Schwerpunkten zählen die Geburtsvorbereitung mit Hypnobirthing & Achtsamkeit, Schwangerschaftscoaching und die Aufarbeitung schwieriger Erlebnisse rund um Schwangerschaft und Geburt (EMI-Eye Movement Integration-Traumtechnik).

Oft rauscht unser Alltag (nicht nur aber auch in der Schwangerschaft) einfach so an uns vorbei. Das Konzept von Achtsamkeit versuche ich deshalb immer mehr in mein Leben zu integrieren und es passt meiner Meinung nach sehr gut zum Thema Geburt – ich bin gespannt, was Tanja uns berichtet.

Warum zu Hypnobirthing jetzt auch noch Elemente der Achtsamkeit hinzufügen?

Ich bin Hebamme und arbeite seit 2009 mit Hypnobirthing und Selbsthypnosetechniken zur Geburtsvorbereitung. Ich war von Beginn an begeistert über die Möglichkeit Hypnose zu diesem Zweck zu verwenden. Wie so viele andere habe ich auch mit dem Konzept nach Marie Mongan begonnen. Ich merkte jedoch bald, dass ich mit diesem Hypnobirthing-Konzept nicht glücklich bin.

Ich war damit unzufrieden, dass es im Hypnobirthing-Konzept nach Mongan (für meinen persönlichen Geschmack) zu einer Idealisierung der schmerzlosen Geburt gekommen ist und dass es für jede Frau möglich ist eine sanfte und schmerzlose Geburt zu haben. Aus meiner Beobachtung weiß ich, dass es Frauen gibt die ohne Schmerzen oder beinahe schmerzfrei geboren haben oder die die intensiven Körperempfindungen nicht als Schmerz wahrgenommen haben.

Es gibt aber auch Gebärende, für die die Schmerzen und die Körperempfindungen während der Geburt schier unbewältigend erscheinen. Und das auch nach einer tollen Vorbereitung mit Selbsthypnose. So habe ich mir die Frage gestellt: „Wie können Schwangere lernen mit den intensiven Körpererfahrungen während der Geburt bestmöglich umzugehen?“ Für viele mag es passen und „reichen“ einfach Selbsthypnosetechniken zu lernen. Für andere aber wiederum nicht. Und dann bin ich über das Konzept der Achtsamkeit und Mindfulness gestolpert. Das war für mich ein Heureka-Moment. Daraus entstand dann mein Programm, das Achtsamkeit und Hypnobirthing miteinander vereint. Die perfekte Ergänzung! Mittlerweile ist die Achtsamkeit für mich in der Geburtsvorbereitung mit Hypnobirthing nicht mehr wegzudenken.

Achtsamkeit und Mindfulness – was steckt dahinter?

Die Achtsamkeitselemente so wie ich sie in die Geburtsvorbereitung mit Hypnobirthing integriere basieren auf der Lehre von Jon Kabat-Zinn. Die Achtsamkeitspraxis hat ihre Wurzel unter anderem in buddhistischen Lehren. Jon Kabat-Zinn erkannte den Wert von Achtsamkeit und entwickelte in den späten 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts das MBSR-Programm (Mindfulness-Based Stress Reduction). Die Wirkung einer Achtsamkeitspraxis wurde wissenschaftlich nachgewiesen. Aus dem MBSR-Programm heraus entwickelte Nancy Bardacke MBCP (Mindfulness-Based Childbirth and Parenting Program), ein Achtsamkeitstraining für Schwangerschaft, Geburt und Elternschaft. Ihr Buch kann ich Dir sehr ans Herz legen.

Achtsamkeit kann beschrieben werden als eine besondere Form der Aufmerksamkeit im Hier und Jetzt. Dieser Bewusstseinszustand erlaubt es innere und äußere Erfahrungen im gegenwärtigen Moment ohne Bewertung zu registrieren und zuzulassen. Achtsamkeit ist das ganz bewusste Wahrnehmen des jetzigen Moments: Vollkommen im Hier und Jetzt zu sein ohne die Erfahrung des Moments zu bewerten. Und wenn Du beginnst die Dinge im Jetzt bewusst wahrzunehmen, so entdeckst Du sehr schnell, dass Dein Geist und Deine Gedanken sehr oft in der Vergangenheit oder in der Zukunft verhaftet sind und nicht im Hier und Jetzt sind.

Wenn Du ständig in Gedanken in der Vergangenheit oder der Zukunft bist, so entgeht Dir der Moment im Jetzt. Und in Wirklichkeit ist der Moment im Jetzt der einzige Moment den Du hast. Die Vergangenheit liegt hinter Dir und die Zukunft ist noch nicht geschehen.

Das ist eine Fähigkeit die mit der Übung wächst. Und während der Geburt hilft Dir die Aufmerksamkeit auf das jetzt dabei, mit dem umzugehen was gerade ist. So ist es Dir möglich Dich jetzt genau auf die Kontraktion zu konzentrieren die Du gerade erlebst ohne mit Leiden an die letzte zu denken oder mit Furcht an die nächste die kommt.

Achtsamkeit umfasst eine Vielzahl von Techniken und Übungen wie als Beispiele die Sitz- und Gehmeditation, den Bodyscan (Übung zur Körperwahrnehmung) und Atemübungen.

Hypnobirthing und Achtsamkeit – Zwei Paar Schuhe?

Wenn Du eine Achtsamkeits-Meditation machst oder Du eine hypnotische Trance genießt, so befindest Du Dich im Bereich der Alpha- oder Theta-Gehirnwellen, welcher durch einen angenehmen Entspannungszustand gekennzeichnet ist. Diese Bewusstseinszustände treten natürlicherweise auch von alleine auf. Ganz gleich ob Du Achtsamkeitsmeditation oder Hypnose praktizierst, reduzierst Du das „Geplapper“ Deines Geistes und Deiner Gedanken.

Beobachte einmal kurz Deine Gedanken: Du kennst das sicher, oder? Du bist mit Deinen Gedanken entweder beim Streit mit Deinem Partner von gestern (Vergangenheit) oder bei den ganzen Erledigungen, die heute im Laufe des Tages noch anstehen (Zukunft).

Die „Wirkung“ von Achtsamkeitsmeditationen oder -übungen auf der einen Seite und Hypnose auf der anderen ist es, das Gedankenkarussell in Deinem Kopf für eine gewisse Dauer anzuhalten. Und hier entsteht die Möglichkeit für neue Erfahrungen. Hypnose ist eine Methode um einen tieferen Bewusstseinszustand (Alpha- und Thetawellen) zu erreichen und um so Zugang zu Deinem Unterbewusstsein zu bekommen. In Deinem Unterbewusstsein sind unter anderem Glaubenssätze gespeichert („Geburt ist immer schlimm und ich schaffe das sicher nicht.“). Mit dem Zugang zu Deinem Unterbewusstsein kannst Du diese Programmierungen dauerhaft verändern, bearbeiten und durch positive Glaubenssätze ersetzen.

Der Unterschied zwischen Hypnose und Achtsamkeit ist jetzt der, wie Du diesen tieferen und veränderten Bewusstseinszustand nützt.

Eine Achtsamkeitsmeditation lenkt Deine Aufmerksamkeit nach innen in den Moment und leert Deinen Kopf. Und so kannst Du ganz im jetzigen Moment sein. Diese Fähigkeit wird Dir während der Geburt unbezahlbare Dienste leisten, um so mit den Kontraktion sein zu können und von Moment zu Moment. Eine Kontraktion nach der anderen. Ein Schritt nach dem anderen. Du kannst dann auf den Wellen mit Deiner Luftmatratze reiten anstatt dass Du Dich in die Brandung stellst und von den Wellen umgeworfen und unter Wasser gedrückt wirst.

Eine Hypnose bzw. Trance verfolgt meist ein bestimmtes Ziel. Beispielsweise möchtest Du einfach Selbsthypnose lernen oder Du visualisierst Dein bevorstehendes Geburtserlebnis oder Du bearbeitest ein Ereignis in der Vergangenheit oder Du bearbeitest ein bestimmtest Thema, das Dir Angst bereitet.

Gemeinsam ist den beiden (Achtsamkeit und Hypnose) wieder, dass sie Dir ähnliche Ergebnisse bringen: reduzierte Angst, vermehrte Entspannung, Zuversicht, Vertrauen und die Fähigkeit mit negativem Stress besser umzugehen.

Achtsamkeit und Hypnobirthing – das perfekte Team!

Eine Geburtsvorbereitung die Achtsamkeitspraxis und Hypnobirthing vereint bringt Dir:

  • Weniger Angst und mehr Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und den Geburtsprozess
  • Positive Gefühle und Zuversicht verstärken sich
  • Eine gesteigerte Entspannungsfähigkeit
  • Schulung Deines Körperbewusstseins
  • Bessere Bewältigungsstrategien um mit den intensiven Körperempfindungen umzugehen
  • Deutliche Schmerzreduktion während der Geburt
  • Schnellere Erholungsphase nach der Geburt
  • Eine insgesamt größere Zufriedenheit mit dem Geburtserlebnis
  • Geringeres Risiko an einer Wochenbettdepression zu erkranken

Und das Wunderbare ist, dass Du all die gelernten Fähigkeiten nach der Geburt Deines Kindes weiterhin anwenden kannst. So können Entspannungstechniken sehr gut dabei helfen den Milchfluss anzuregen. Achtsamkeitstechniken sind hervorragende Werkzeuge in der Begleitung Deiner Kinder und im (manches mal) sehr herausfordernden Alltag.

Grundsätze der Achtsamkeit

Achtsamkeit ist gekennzeichnet durch verschiedene Grundhaltungen:

  • Der Anfängergeist oder Neugierde
  • Nichtwerten
  • Geduld
  • Nichtstreben
  • Anerkennen, was ist

Diese Grundhaltungen passen doch wunderbar zur Geburt! Stell Dir vor, Du kannst in Deine Geburtserfahrung gehen ohne zu werten was Du erlebst, mit einem neugierigen Anfängergeist, mit der Geduld die eine Geburt manchmal erfordert und mit der Fähigkeit des Nichtstrebens was ist und dem Vermögen anzuerkennen was ist.

Und natürlich darfst Du Dir dennoch etwas von der bevorstehenden Geburt wünschen und Deine Traumvorstellung visualisieren! Und das ist auch gut so! Du kannst dann aber gut damit umgehen, wenn Deine Geburt beschließt einen anderen Weg zu nehmen.

Eine Einladung zu einem achtsamen Moment

Ich lade Dich ein, Achtsamkeit jetzt gleich zu erfahren:

So, wie Du jetzt im Sessel oder auf einer Couch oder möglicherweise auch gemütlich in Deinem Bett liegst und diese Zeilen liest, so lade ich Dich ein ….beginn einmal den Kontaktpunkt wahrzunehmen wo Dein Körper den Sessel, die Couch oder das Bett berührt…..Vielleicht den Bereich an dem Dein Rücken sich anlehnt…..oder den Bereich an dem die Unterseite Deiner Oberschenkel die Unterlage berühren…

Und vielleicht bemerkst Du den Wunsch danach, Dich in eine andere, bequemere Position zu begeben….und dem Wunsch einfach nachgeben und geschehen lassen…

Bring nun Deine Aufmerksamkeit zu Deinem Atem und den Körperempfindungen der Atmung…wo auch immer Du Deinen Atem gerade am intensivsten wahrnimmst….. vielleicht im Bauch oder in Deiner Brust…

Oder vielleicht nimmst Du gerade den Atem war wie er durch Deine Nase einströmt und durch Deine Nase oder Deinen Mund wieder ausströmt…nimm einfach wahr…

Diesen einen Moment jetzt wahrnehmen…einfach nur Deiner Atmung Deine Aufmerksamkeit schenken…fühle Deinen Atem wie er in Deinen Körper hineinströmt und wieder hinausströmt…

Und bemerke die Qualität Deines Atems…. ist er schnell……oder langsam….. tief…..oder flach……einfach wahrnehmen ohne die Atmung beeinflussen zu wollen…..

Und vielleicht bemerkst Du ein leichtes Gefühl von Entspannung wenn Du Deinen Atem beobachtest…. oder aber Du bemerkst irgendwo in Deinem Körper Anspannung oder ein unangenehmes Gefühl….eine Empfindung die Du erst jetzt bemerkst und zuvor nicht wahrgenommen hast…

Möglicherweise eine Empfindung im Bereich Deiner Schultern oder Deines Nackens….. oder Deinem oberen oder unteren Rücken….und einfach die Empfindung wahrnehmen und beobachten ohne zu werten….in diesem Moment…..im Hier und Jetzt…

Und wenn in Deinem Bauch gerade ein Baby heranwächst, so werde Dir in diesem Moment seiner Existenz bewusst….. und wenn es sich jetzt gerade bewegt, dann nimm einfach die Bewegungen Deine Babys wahr….in ihrer Qualität…..schnell…..oder langsam…..stark oder sanft…..eher im Bereich des Bauchnabels….oder weiter unten oder oben…

Ein Körper der gerade in einem anderen wächst….. genau jetzt in diesem Moment….nimm Dir die Zeit zu erfahren was ist…

Und dann kehre mit Deiner Aufmerksamkeit wieder zurück zu Deinem Atem…. zu den körperlichen Empfindungen Deines Atems…. wo auch immer Du Deinen Atem jetzt genau am intensivsten spürst…… und einfach den Atem beobachten….und lass Deinen Atem ein Anker für Dich sein….ein Anker für das Hier und Jetzt…..in genau diesem einen Moment…jetzt…

Und im Laufe der Zeit, wenn Du übst mit Deinem Atem im HIER und JETZT zu sein, so kann es gelingen mit Stress umzugehen…oder Ängstlichkeit…. und Schmerz oder unangenehmen Emotionen…..oder Gefühlen….und mit mehr Ruhe …. Und Stetigkeit….. und Stärke…..und Freundlichkeit…..für uns selbst…. Und für andere….. wie sich unsere Leben entfalten…von Moment zu Moment…..Atemzug für Atemzug….

Fazit: Hypnobirthing und Mindfulness – das ultimative Wundermittel?

Tja, das Rezept für das ultimative Wundermittel für eine grandiose Geburt hätte ich gerne. Dann wäre ich sicher steinreich und wäre schon nach Hawaii ausgewandert. Spaß beiseite – Natürlich gibt es das Patentrezept für eine angenehme und gelungene Geburt nicht.

Achtsamkeit und Hypnobirthing in Kombination ist aber eine wunderbare Möglichkeit zur Vorbereitung auf den Geburtsprozess und das Leben mit Deinem neugeborenen Kind. Und auch während Deiner Schwangerschaft profitierst Du schon von diesem Training (mehr Entspannung, mehr Vertrauen…)

Mit Achtsamkeit und Hypnobirthing zusammen hast Du eines der effektivsten Werkzeuge in der Hand, damit Du aus Deiner Geburtserfahrung gestärkt und positiv herausgehen kannst.

Nun, bevor Du Dir überlegst Dich auf diese wunderbare Weise auf die Geburt und das Leben mit Deinem Baby vorzubereiten, so mache es Dir bitte bewusst, dass Dein Einsatz, Deine Motivation und Dein Engagement unerlässlich sind. Achtsamkeit und Selbsthypnose sind nichts, was Du einfach mal so im Vorbeigehen mitnimmst und lernst. Würdest Du an einem Marathon teilnehmen, so würdest Du Dich auch täglich darauf vorbereiten und trainieren, oder? Achtsamkeitstraining und Hypnobirthing ist dann etwas für Dich, wenn Du bereit bist jeden Tag Zeit zu schaffen für das formale Training und Du auch bereit bist die Achtsamkeit in Dein Alltagsleben zu integrieren.

Dann nimmst Du den größten MEHRwert für Dich, Deine Geburt und den Rest Deines Lebens mit!

Alles Liebe,

Tanja


Tanjas Website findest Du unter http://tanjaliebl.at/ . Sie  startet auch bald einen Blog rund um das Thema Geburtsvorbereitung – also schau mal bei ihr vorbei :) Auf ihrer Website findest Du auch eine kostenlose Anleitung um leicht und schnell Selbsthypnose zur Geburtsvorbereitung zu lernen.

Danke, Tanja, für Deinen tollen Beitrag :)

 

 

4 Gedanken zu “Gastbeitrag: Wie Dir Achtsamkeit hilft, Dich auf Deine Geburt vorzubereiten

Hinterlasse einen Kommentar