Geburtsplan

Life is what happens to you while you’re busy making other plans.

  • John Lennon

Wir planen unser ganzes Leben durch, manche von uns mehr manche von uns weniger. Wir wollen Sicherheit – und das wollen wir natürlich auch für die Geburt. Natürlich ist eine Geburt als solche nicht besonders gut planbar – gerade wenn es die erste ist, steht man vor einem riesigen Fragezeichen und weiß nicht, was da auf einen zukommen wird. Wenn es um einen „Geburtsplan“ geht, winken deshalb viele ab und verweisen auf die ohnehin schlechte Planbarkeit dieses Ereignisses (so wie ich bei meiner ersten Geburt). Was soll man sich vorbereiten, wenn am Ende eh alles anders kommt?

Ganz klar: eine (natürliche) Geburt kann man nicht im Vorfeld planen. Man weiß nicht, wann und wie sie losgehen wird. Man weiß nicht, welche Maßnahmen und Interventionen notwendig sein werden. Deshalb ist der Begriff „Geburtsplan“ auch etwas irreführend, finde ich. Ich finde es aber sehr wohl wichtig einige Forderungen an das medizinische Personal zu formulieren, von dem man während der Geburt betreut wird.

Jede Frau wird dabei unterschiedliche Forderungen und Prioritäten haben, einige wünschen sich eine engere Betreuung, andere mehr Ruhe. In jedem Fall sollte man – ob außerklinische Geburt oder Krankenhaus – im Vorfeld seine Wünsche und Forderungen ansprechen und sichergehen, dass diese auch respektiert werden. Dies ist nicht der Zeitpunkt, um eine gute Patientin zu sein, hinterfrage bestehende Strukturen. Nur weil etwas „schon immer so gemacht wurde“ oder der Arzt „das jetzt so entschieden hat“ heißt das nicht, dass Du dem zustimmen musst. Auch als Schangere und Gebärende hast Du ein Selbstbestimmungsrecht. Auch wenn es anstrengend ist (besonders zum Beispiel in einer großen Klinik), es lohnt sich für seine Rechte und seine Bedürfnisse zu kämpfen. Immerhin ist eine Geburt – Deine Geburt! – einer prägendsten Tage im Leben einer Frau -Dir! – und natürlich des Babys. Ein Tag, der an dem der Grundstein für die kommenden Tage, Wochen und Jahre gelegt wird, für die Mutter-Kind-Beziehung und die Grundlage für eine glückliche kleine oder größerwerdende Familie.

Da alles an Deinem Geburtsplan sehr individuell sein wird, möchte ich Dir keine Vorgaben machen, wie Du ihn gestalten solltest. Ich möchte Dir aber meinen eigenen zeigen und Dir damit vielleicht ein paar Anregungen für Deinen eigenen Geburtsplan geben, wichtig ist, dass Du Dich sehr gut selbst informierst und entscheidest, was Du willst und was nicht. Außerdem will ich Dir bei verschiedenen Punkte erklären, wieso ich diese aufgeschrieben habe.

 

Liebes Klinikpersonal, liebe Hebammen,
ich bitte Sie, diesen von mir angefertigten Geburtsplan aufmerksam durchzulesen und auch bei Personal- und Schichtwechsel weiterzugeben. Ich bitte Sie, mich über jede routinemäßige und nicht-routinemäßige Maßnahme aufzuklären. Ich möchte selber entscheiden, ob diese Maßnahmen bei mir oder meinem Baby angewandt werden oder nicht. Sollte ich nicht ansprechbar sein, dann ziehen Sie bitte meinen Partner zu jeder Entscheidung hinzu. Auch bei einem akuten Notfall möchte ich über jede Maßnahme die durchgeführt werden soll aufgeklärt werden. Ich möchte, dass mein Partner jederzeit bei mir und/oder bei meinem Baby bleibt, auch wenn eine Notfallsituation eintritt.
Eine Geburt betrachte ich als intimes Ereignis, das so ungestört wie möglich verlaufen sollte. Ich bitte sie, dies zu respektieren. Weiterhin möchte ich während meiner Geburt die Hypnobirthing-Methode anwenden. Dazu muss ich mich vor allem während der Wehen (auch der Presswehen) möglichst ungestört sein. Ich bitte Sie, dies zu respektieren und eventuelle Fragen zunächst an meinen Partner zu stellen. Sollte ich Ihre Unterstützung brauche, werde ich oder mein Partner Ihnen dies mitteilen.
Weiterhin sind mir folgende Punkte besonders wichtig:

Für die Geburt:

– Anwesend sein sollen nur mein Mann, die Hebamme und wenn unbedingt nötig (bei Komplikationen), ein Arzt. Weitere Personen nur mit meinem Einverständnis .

Privatsphäre (englisch Privacy) ist für eine natürliche schmerzarme Geburt absolut notwendig. Sind zu viele fremde Menschen anwesend, kann dies die neuronalen und hormonellen Prozesse einer normalen Geburt stören und zu Geburtsstillstand oder unnötigen Schmerzen führen.

– Ich möchte keine routinemäßigen Maßnahmen wie Venenzugang, Blutdruckmessung, Ultraschalluntersuchungen, CTG-Schreiben (Herztöne können mit Dopton kontrolliert werden) und vaginale Untersuchungen.

Alle diese Eingriffe können (müssen natürlich nicht) weitere Interventionen nach sich ziehen. CTG-Schreiben und vaginale Untersuchungen geben kaum verwertbare Informationen. Die Öffnung des Muttermunds ist zum Beispiel kein linearer Prozess. Nachdem er über Stunden gar nicht voranschreitet, kann er innerhalb einer halben Stunde komplett eröffnet sein. In jedem Fall muss um Deine Erlaubnis gefragt werden und die Untersuchung sollte nicht schmerzhaft sein.

– Wenn möglich möchte in der Wanne gebären.

Ich empfand das warme Wasser als sehr entspannend und krampflösend. Ich habe mich in der Wanne sehr wohl gefühlt. Wenn Du Dir diese Option vorstellen kannst, solltest Du vorher klären, ob es die Möglichkeit einer Wassergeburt besteht.

– Ich wünsche keine Eingriffe in den Geburtsverlauf wie z.B. künstliche Öffnung der Fruchtblase, Kopfschwartenelektrode, Dammschnitt, Kristellern, wehenfördernde Mittel.

Eine Geburt ist ein natürlicher Prozess, der nur selten Unterstützung von außen braucht. Viele Interventionen ziehen, wie ob bereits beschrieben, andere nach sich. Deshalb sollte man sie weitestgehend vermeiden.

– Ich möchte mich jederzeit nach Bedarf frei bewegen können und meine Geburtsposition selber frei wählen.

Dies halte ich für essentiell für eine schmerzarme Geburt. Dein Körper weiß genau, welche Position richtig für ihn ist. Du musst ihm nur vertrauen. Viel zu viele Frauen bekommen ihre Kinder immer noch auf dem Rücken liegend wie ein Käfer – die zweitungünstigste Geburtsposition, gleich nach dem Kopfstand. Die einzigen, die von dieser Position profitieren sind Hebammen und Ärzte, sie können so alles bequem sehen – und das sollte kein Kriterium sein.

– Ich möchte nicht zum Pressen angeleitet werden.

Power-Pressen zu dem man wie bei einem Marathon angefeuert wird, ist für eine Geburt nicht nötig, die Geburt wird dadurch nicht verkürzt. Im Gegenteil. Du selbst weißt ganz genau, wann und wie Du mitschieben musst. Am besten ist es, so weit wie möglich ruhig zu atmen und Deinen Gebärmuttermuskeln alles andere zu überlassen – sie schieben Dein Baby heraus, auch ohne Dein Zutun. Oft sind Frauen, die sich mit Hypnobirthing beschäftigen irritiert, weil sie einen Pressdrang verspüren, beim Hypnobirthing aber das „Herausatmen“ gelehrt wird. Der Pressdrang ist ein Reflex, daran ist nichts Falsches. Lass Deinen Körper das Ruder übernehmen und bleibe entspannt. Das ist auch das Beste für Dein Baby, da es wesentlich weniger gestresst wird.

– Das Licht im Kreißsaal soll gedimmt werden, insbesondere zur Endphase der Geburt und während des Bondings.

Durch Licht wird besonders unser Neokortex stimuliert, unser „neues“ Gehirn, das für Logik und Denken zuständig ist. Die Geburt wird aber durch viel ältere Teile unseres Gehirns gesteuert. Bei zu viel Licht (und auch Ansprache) überlagert der neuere Teil den alten, so dass wiederum die hormonellen und neurologischen Abläufe gestört werden können.

– Ich möchte mein Baby selbst aufnehmen wenn es geboren wurde / Mein Baby soll sofort nach der Geburt auf meine Brust gelegt werden.

Um Hilfe bitten kannst Du immer noch. Ich finde es schön, wenn ich die Erste bin, die mein Baby berührt.

– Der APGAR-Test soll gemacht werden während das Baby auf mir liegt.

Oft werden die Babies für diese Untersuchung weg genommen. Dies ist nicht nötig und unterbricht das Bonding nach der Geburt.

– Ich bitte von einem routinemäßigem Absaugen und/oder Abrubbeln meines Babys abzusehen.
– Die Nabelschnur soll auspulsieren und erst nach der Geburt der Plazenta und nur mit meinem Einverständnis, von mir selber, oder von meinem Mann, durchtrennt werden.

Warum das so wichtig ist, kannst du hier lesen.

– Die Plazenta soll ohne Gabe von Oxytocin oder manueller Einwirkung geboren werden, es soll dafür genug Zeit gegeben werden (mind. 2 Stunden), solange keine starke Blutung vorliegt.

Oftmals wird in Kliniken schon nach 20 – 30 Minuten Druck ausgeübt, wenn die Plazenta nicht geboren ist. Nicht selten wird Oxytocin gegeben oder sogar an der Nabelschnur gezogen, was zu Blutungen und Notoperationen führen kann. Es spricht nichts dagegen, abzuwarten, solange keine starke Blutung eintritt.

– Ich möchte im Kreissaal während der gesamten Geburt und während des Bondings Ruhe haben und meine Privatsphäre gewahrt wissen.

Das Bonding ist so wichtig für die weitere Mutter-Kind- und Still-Beziehung. Es wichtig, dass diese Phase ohne Stress passiert.

– Mein Lebensgefährte soll stets beim Baby bleiben – auch wenn eine (intensiv-)medizinische Versorgung des Babys notwendig ist.

Nicht selten wird das Baby zu einer Behandlung allein weggebracht, ohne dass die Mutter/die Eltern wissen, was mit ihm geschieht. Seid hartnäckig und lasst Euch nicht abwimmeln. Euer Baby gehört zu Euch.

Im Falle eines Kaiserschnittes:

– Ein Kaiserschnitt darf nur mit meinem Einverständnis durchgeführt werden. Es kommen hierfür ausschließlich lebensbedrohliche mütterliche Indikationen in Frage.

Nicht selten wird ein Kaiserschnitt auf Grund eines schlechten CTGs, eines „Geburtsstillstandes“ oder „weil der OP einmal bereit ist“ (leider wirklich wahr :/) gemacht. Ein Kaiserschnitt sollte immer nur im absoluten Notfall durchgeführt werden. Lass Dich nicht überreden oder unter Druck setzen.

– Die Narkose möchte ich möglichst als PDA oder Spinalanästhesie.
– keine Beruhigungsmittel ohne meine ausdrückliche Einwilligung bzw. absolute medizinische Notwendigkeit.
– Mein Partner soll im OP die komplette Zeit dabei sein auch beim Vorbereiten und PDA-Legen.
– Während der OP möchte ich von Anfang bis Ende darüber informiert werden was gerade an mir gemacht wird.
– Auch bei einem Kaiserschnitt möchte ich mein Baby SOFORT auf meine Brust oder in meine Arme gelegt bekommen und es soll dort, Haut an Haut, zum Bonding kommen.

Dies ist leider in vielen Krankenhäusern nicht selbstverständlich. Oft wird das Baby der Frau angezogen und gebadet gegeben. Die einmalige Chance auf die allerersten Minuten des Bonding sind so für immer verloren.

– Der APGAR-Test soll ganz in Ruhe und in Zurückhaltung gemacht werden, während das Baby in meinen Armen, oder in den Armen meines Mannes, liegt. Kein routinemäßiges Absaugen und/oder Abrubbeln meines Babys. Notwendige Maßnahmen wie z.B. Absaugen oder Sauerstoffgabe kann unternommen werden, während mein Baby auf meiner Brust liegt.
– Mein Mann soll stets beim Baby bleiben – auch wenn eine sofortige (intensiv-)medizinische Versorgung des Babys notwendig ist.

Nach der Geburt:

– Die U1 soll erst nach ausreichendem Bonding und dem ersten Stillen stattfinden.
– Das Baby soll nicht gebadet, gewickelt oder angezogen werden. Dies mache ich selber, oder mein Mann, sobald wir dies möchten.
– Ich möchte in keinem Fall von meinem Kind getrennt werden und in den ersten Stunden nach der Geburt das Baby in Ruhe begrüßen und anlegen, ohne von Fremden gestört zu werden.
– Bitte geben Sie keine Silbernitrattropfen oder antibiotische Augengels
– Bitte füttern Sie meinem Baby keine künstliche Säuglingsnahrung, mein Baby wird nur gestillt.
– Bitte geben Sie meinem Baby keine Beruhigungssauger/Schnuller.
– Ich möchte nicht, dass mein Baby routinemäßig gewogen wird.
– Geben Sie keine nicht lebensnotwendige Medikation ohne mein Einverständnis, bzw. das Einverständnis meines Partners.
– Sollte eine Verlegung des Kindes auf die Kinderstation oder Intensivstation nötig sein, dann nur in Begleitung der Eltern bzw. des Vaters.
– Ich wünsche keinen Hörtest.
– Ich wünsche keine Gabe von Vitamin-K.

 

Wir danken Ihnen für Ihre Unterstützung und die Berücksichtigung unserer Geburtswünsche.
Name, Datum, Unterschrift

 

Wenn Du möchtest, kannst Du Dir den Geburtsplan (PDF) (oder Geburtsplan (Word-file) ) herunterladen und nach Deinen Wünschen editieren.


 

Wenn mein Beitrag Dir gefallen hat, dann lass es mich wissen, darüber würde ich mich sehr freuen. Wenn Du Fragen zum Thema oder Anregungen für weitere Artikel hast, dann schreibe mir doch gern einen Kommentar oder kontaktiere mich direkt. Vielleicht bist Du selbst gerade schwanger und hast Angst vor der Geburt Deines Babys? Ich würde mich freuen, Dir persönlich helfen zu können (natürlich kostenlos!).

Ich wünsche Dir alles Gute und viel Kraft auf Deinem Weg.  – Susanne


 

 

 

 

 

 

15 Gedanken zu “Geburtsplan

  1. Wow, mal wieder richtig gut! Ich freue mich immer einen Artikel von dir zu lesen! Ein Geburtsplan ist so wichtig! Zu meiner eigenen Schande muss ich gestehen, dass ich nie einen gemacht habe…. Beim ersten Mal aus Unwissenheit, beim zweiten Mal, weil ich auf das persönliche Geburtsplangespräch im Geburtshaus vertraut habe. Dort konnte ich alles loswerden, was mir wichtig war. Die Hebammen haben Notizen gemacht und in meine Akte gelegt. Hat funktioniert ;-)… Ich hätte aber vermutlich für die Möglichkeit einer Verlegung ins KH einen Geburtspan haben sollen, aber ich wollte mich wohl nicht mit dieser traumatischen Möglichkeit vorher beschäftigen… Beim nächsten Mal schwöre ich dir, werde ich so eine Plan machen! und zwar nach DEINER Vorlage!!!! Die ist soooooo gut! Vielen, vielen Dank!!!

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    1. Ich habe den Geburtsplan auch für den Fall einer Verlegung geschrieben. Ich wollte eine Hausgeburt und ich habe den Plan im Vorfeld auch mit meinen Hebammen besprochen. Die haben sowieso ALLES was ich auf dem Plan stehen habe, in ihrem normalen Programm, ohne dass man dafür kämpfen muss. Im KH sieht das leider ganz anders aus. Ich wollte aber diese ungestörte natürliche Geburt auf jeden Fall und habe mich deshalb ganz eingehend damit beschäftigt, was ich alles NICHT dulden werde. Schlussendlich ist es zum Glück nicht dazu gekommen. Wer weiß, ob die in der Klinik sich daran gehalten hätten (große Uni-Klinik, habe viel schlechtes gehört). Deshalb finde ich es sehr wichtig, dass der Partner aktiv mit an dem Plan arbeitet und sich im Zweifelsfall auch darauf vorbereitet, mit denen zu diskutieren und die Wünsche seiner Partnerin durchzusetzen.
      Danke für Deinen lieben Kommentar und viele liebe Grüße

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  2. Vielen Dank für diesen tollen Plan! Ich werde ihn noch an meine Situtation anpassen, aber er ist eine super Ausgangsbasis und macht mir das ganze Geburtsplan schreiben deutlich leichter :-)

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  3. Vielen Lieben Dank! Ich bin nicht Deutsche, und so was habe ich mir genau gewünscht; inhaltlich und auch von Sprache her!! Natürlich passe ich es für mich an, aber es beinhaltet wirklich alles dass ich mir schon gedacht hatte.

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    1. Das sind sehr individuelle Entscheidungen, jede Frau sollte selbst recherchieren, sich ihre Meinung bilden und daraufhin ihren eigenen Plan schreiben.
      Einige Frauen möchten nicht, dass ihre Babies gleich nach der Geburt eine Spritze und eine sehr hohe Dosis Vitamine bekommen und entscheiden sich für das sog. Holländische Modell, bei dem man dem Baby Vit. K Tropfen gibt über einen längeren Zeitraum.
      Der Hörtest kann nach so kurzer nach der Geburt auch mal falsch ausfallen, weshalb sich manche Frauen dafür entscheiden, ihn später durchführen zu lassen um die ersten paar Tage mit dem Baby (die sowieso schon emotional anstrengend genug sein können) nicht durch ein falsch-positives Resultat noch aufwühlender zu machen.
      Generell geht es bei der ganzen Sache darum, Routinemaßnahmen nicht einfach hinzunehmen, sondern zu hinterfragen und nur in die Eingriffe einzuwilligen, die man für notwendig empfindet. Welche das genau sind, wird immer individuell von den Eltern abhängen.
      Liebe Grüße :)

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