CTG in der Schwangerschaft und unter der Geburt

Das CTG (Cardio (Herz) Toko (Wehe) Gramm) kennt jede Schwangere aus der Vorsorge beim Frauenarzt oder der Hebamme. Routinemäßig werden beim CTG-Schreiben die Herztöne des Babies und eventuell auftretende Wehentätigkeit aufgezeichnet, das sorgt für ein sicheres Gefühl beim Arzt und der werdenen Mama. Und unter der Geburt ist ein CTG unabdingbar für eine sichere Überwachung, weshalb in den meisten Kreißsälen heute mittels der beiden Sonden, die auf dem Bauch fest geklemmt werden, dauerüberwacht wird. Und das ist auch gut so – oder?

CTGs wurden ursprünglich für Risikogeburten entwickelt, um diese zu überwachen. 1980 wurden in den USA bereits 45 % aller Geburten mittels CTG überwacht, 2002 dann die große Mehrheit von 85% (siehe ACOG Statement).

CTG-Überwachung während der Schwangerschaft

Auch wenn es heute ein weit verbreitete Praxis bei fast allen Frauenärzten und Hebammen ist. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass CTG-Überwachung während der Schwangerschaft (auch bei Risiko-Schwangeren!) zu einer geringeren Kindersterblichkeit führt [1]. Die WHO-Richtlinien sagen dazu folgendes:

Die Durchsicht von verschiedenen Studien fand keine klare Evidenz dafür, dass CTG-Überwachung in Risikoschwangerschaften einen Vorteil für die Mutter oder für das Kind hat. Klinisches Personal muss dies wissen, auch wenn diese Intervention keine höhere Kaiserschnittrate nach sich zieht, verringert sich das Risiko nicht, dass Kind während der Geburt stirbt.

Zwei wichtige Punkte enthält dieses Statement, die ich nochmal besonders betonen möchte:

  1. Dieses Statement bezieht sich auf Risikoschwangerschaften. Was das für normale gesunde Schwangerschaften heißt, mag jeder selbst folgern.
  2. Auch wenn ein CTG während der Schwangerschaft subjektiv Sicherheit vermitteln mag, objektiv gesehen steigt die Überlebenschance des Babies nicht durch eine CTG-Überwachung an. Diese vermeintliche Sicherheit ist also trügerisch. Leider ist das weder Ärzten noch Schwangeren in Deutschland bewusst.

Desweiteren kommt es nicht selten zu Fehlinterpretationen, wie eine Fallstudie zeigte:

Vier Gynäkologen wurden gebeten, 50 CTG-Aufzeichnungen auszuwerten. Nur in 22 %, also knapp ein viertel der Fälle, waren sie sich über den Befund einig. Zwei Monate später wurden denselben vier Ärzten dieselben 50 Aufzeichnungen gegeben. In fast einem von fünf Fällen änderten sie ihre Interpretation.

CTG-Überwachung während der Geburt

Während meiner ersten Geburt wurde ein Dauer-CTG geschrieben. Ich musste mich auf die Seite legen, dadurch kam ich mit den starken Wehen, die ich im Stehen noch irgendwie veratmen konnte, noch weniger klar; an Aufstehen war bis zum Schluss nicht mehr zu denken. Bei meiner zweiten Geburt hörte meine Hebamme nur kurz die Herztöne meines Sohnes, nachdem sie mich um Erlaubnis gefragt hatte.

Eine Geburt im Krankenhaus ist heute ohne Dauer-CTG fast nicht mehr denkbar. Oft überwachen wenige Hebammen die CTG-Aufzeichnungen mehrerer Gebärenden über Bildschirme. Aber machen CTGs Geburten wirklich sicherer? Veringern sie wirklich die Kindersterblichkeit und sind sie sicher für die Mütter in Hinsicht auf eine gleichbleibende Interventionsrate?

Studien vergleichen hierbei oft die Überwachung mittels Dauer-CTG und kurzer Herzfrequenzmessung mittels Dopton (also einem Handgerät, mit dem sich die Herzfrequenz messen lässt). Das Dopton hat den Vorteil, dass die Mutter sich frei bewegen kann und auch eine Wassergeburt kein Problem darstellt. Während es einige Frauen nicht einschränkt, während der Geburt zwei Gurte um den Bauch zu haben, fühlen sich manche Frauen sehr wohl durch das CTG-Gerät gestört, zumal oft keine kabellosen Geräte verwendet werden (oder nur auf Nachfrage) und die Geräte teilweise laute Geräusche machen.

Eine große Meta-Studie (also eine Studie, die Ergebnisse vieler anderer Studien vergleicht) mit insgesamt 37.000 Frauen verglich kontinuierliches CTG-Schreiben mit dem gelegentlichen Abhören der Herztöne während der Geburt [2]. Es gab keinen Unterschied der perinatalen Kindersterblichkeit, also der Babies die während oder kurz nach der Geburt verstarben.

Es kam bei den durch CTGs überwachten Geburten zu einer statistisch eindeutigen Zunahme von Kaiserschnitten (66% erhöht) und Vaginal-Operativen Entbindungen (also Zangen- und Saugglockengeburten, 16% erhöhrt). Alle diese Eingriffe haben natürlich entsprechende Nebenwirkungen und Risiken.

In circa einer von 500 Geburten kam es bei dem Baby zu Krampfanfällen, das Risiko mit CTG-Überwachung war dafür deutlich geringer. Um die Krampfänfälle vorherzusagen werden spezifische Abnormalitäten auf dem CTG ausgewertet. Leider hat diese Methode eine sehr hohe falsch-positiv-Rate, das bedeutet, das auf 100 „Diagnosen“ nur ein Baby tatsächlich einen Krampfanfall hat [3]. Die beiden Gruppen unterschieden sich aber nicht hinsichtlich der Fälle infantiler Zerebralparese, einer Folge von Krampfanfällen.

CTG-Überwachung unter der Geburt erhöht also nicht die Sicherheit von Babies, erhöht aber in vielen Fällen die Interventionsrate bei der Mutter. Durch die zunehmende Fokussierung auf die CTG-Aufzeichnung verlieren Hebamme oder Arzt den direkten Kontakt zur und den individuellen Blick auf die Patientin und ihr Baby, die fortschreitende Technisierung der Geburt bewirkt immer mehr Kürzungen in den Kreißsälen, so dass keine 1:1-Betreuung der Gebärenden mehr möglich ist. Fehlalarme durch das CTG versetzen nicht nur die Mutter in Panik (und verstärken damit gegebenfalls den Angst-Spannungs-Schmerzzyklus), sie führen auch zu deutlich höheren Interventionsraten. Es mag durchaus Indikationen für eine dauerhafte Überwachung bei wirklichen Risikogeburten geben, aber gesunde Schwangere mit einem niedrigen Risiko profitieren nicht von Dauer-CTGs.


Wenn mein Beitrag Dir gefallen hat, dann lass es mich wissen, darüber würde ich mich sehr freuen. Wenn Du Fragen zum Thema oder Anregungen für weitere Artikel hast, dann schreibe mir doch gern einen Kommentar oder kontaktiere mich direkt. Vielleicht bist Du selbst gerade schwanger und hast Angst vor der Geburt Deines Babys? Ich würde mich freuen, Dir persönlich helfen zu können (natürlich kostenlos!).

Ich wünsche Dir alles Gute und viel Kraft auf Deinem Weg.  – Susanne


[1] Grivell RM1, Alfirevic Z, Gyte GM, Devane D. Antenatal cardiotocography for fetal assessment. (2015) Cochrane Database Syst Rev. LINK

[2] Alfirevic Z1, Devane D, Gyte GM. Continuous cardiotocography (CTG) as a form of electronic fetal monitoring (EFM) for fetal assessment during labour. (2013) Cochrane Database Syst Rev.  LINK

[3] Nelson KB, Dambrosia JM, Ting TY, Grether JK. Uncertain value of electronic fetal monitoring in predicting cerebral palsy. (1996) New England Journal of Medicine; 334:613–8. LINK

7 Gedanken zu “CTG in der Schwangerschaft und unter der Geburt

  1. Hallo Susanne,
    erstmal möchte ich sagen, dass mich das Thema Geburt sehr interessiert und auch fasziniert. Toll einen ganzen Blog darüber zu finden. Ich werde dich weiter empfehlen!
    ich selbst hatte drei super Hausgeburten. Zum Thema CTG kann ich nur sagen: Es hätte mich unter der Geburt waaaahnsinnig gemacht! Erstens die Verkabelung und die damit verbundenen Bewegungseinschränkung und dann das Geräusch! Man kann es natürlich auch leise einstellen. Aber ich hatte ein Erlebnis in der Frauenarztpraxis in der dritten Schwangerschaft. Ich wurde an das CTG angeschlossen und es lief sehr laut wie ich fand. Es kam aber niemand mehr nachsehen und ich wollte es selbst nicht leiser stellen. Dann wären ja auch alle Kabel wieder verrutscht und so. Jedenfalls kann ich bestätigen, dass die Kinder das CTG „fühlen“, vor allem das dritte Kind trat und boxte immer genau gegen die Sensoren (heißen die so?, egal!) Jedenfalls poltert das ja dann immer ganz gut. Und ein Tritt war so gezielt und das Poltern war sooo laut, dass wir uns gemeinschaftlich fürchterlich erschreckten. Kind und Mutter hatten gleichermaßen Herzklopfen. Nur das Herzklopfen vom Kind hörte man natürlich. Und so ein Kinderherzchen, wenn es sich dann auch noch erschreckt hat, galoppiert wie wahnsinnig. Und das wiederum machte mich dann nervös, weil ich dachte: „Nun beruhig dich armes Kind! Es war nur ein Schreck!“ Aber das Galoppieren hielt an und ich behielt mein Herzklopfen ebenfalls. Ich brauchte einen Moment um mich zu beruhigen. Ich musste mich richtig konzentrieren und dann wurde auch das Kind ruhiger. Auf den Aufzeichnungen sah es auch ganz wild aus. Ich hatte echt Sorge, dass die Auswertung ergeben würde, dass ich wegen eines erhöhten Herzschlages des Kindes noch in ein Krankenhaus durchgewunken würde. Zum Glück blieb mir das erspart. Unter der Geburt hätte sich das aber wohl in eine stressige Situation verwandeln können.
    Ein weiteres Erlebnis hatte ich in der ersten Schwangerschaft. Da bin ich im 8. Monat wegen Rückenschmerzen ins Krankenhaus gekommen. Obwohl ich wusste, dass ich mich blöd bewegt hatte und es dann knack gemacht hatte, nahm mich niemand ernst. Ich wurde erstmal an ein CTG angeschlossen. Als ich mich vor Schmerzen übergab, schlug das CTG natürlich aus. Als die Ärztin dazu kam, wollte sie mir schon Wehen einreden. Sah dann aber, als ich mich wieder übergab, dass es davon kam.
    Irgendwie wird der Technik mehr vertraut, als dem Körpergefühl einer Schwangeren.

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    1. Liebe Beatrice :)
      Danke für deinen netten Kommentar und dass Du Deine Erfahrungen hier mit uns teilst. Das finde ich klasse. Ich glaube, viele Frauen (und Babies) empfinden das CTG als störend und was du erzählst habe ich schon oft gehört und gelesen.
      Ich finde es wunderbar, dass du eine tolle Hebamme hattest und dir schon bei der ersten Geburt die Hausgeburt zugetraut hast. Viel zu viele Menschen halten das für gefährlich und verstehen die ganze Sache mit den Hebammen nicht.

      Ganz liebe Grüße
      Susanne

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