Einmal Kaiserschnitt – immer Kaiserschnitt?

2014 kamen 31 % aller Babies in Deutschland per Kaiserschnitt zur Welt. Das bedeutet, dass ein hoher Prozentsatz von Frauen in einer etwaigen folgenden Schwangerschaft vor der Frage steht, ob sie wieder per Kaiserschnitt entbunden werden oder ob sie es bei dieser Geburt mit einer natürlichen Geburt versuchen will (englisch VBAC – Vaginal Birth After Cesarean), vielleicht sogar zu Hause (HBAC, Home Birth After Cesarean) oder nach zwei oder mehr Kaiserschnitten (VBA2C). Viele Frauen trauen sich dies aber gar nicht zu oder ihnen wird gleich zu Beginn der Schwangerschaft zu einem geplanten Kaiserschnitt geraten. Wie gefährlich ist eine VBAC? Und ist der geplante Kaiserschnitt wirklich immer die beste Alternative?

Die Zahlen sprechen jedenfalls in Bezug auf die Entscheidung eine deutliche Sprache: Im Vereinigten Königreich haben 67% der Frauen mit vorangegangen Kaiserschnitt eine erneute Sectio, während „nur“ 24% der Erstgebärenden per Kaiserschnitt gebären [1]. Anzunehmen, der Kaiserschnitt sei die sichere Alternative zur vaginalen Geburt

Ein Kaiserschnitt ist eine große Bauch-OP mit bestimmten Komplikationsrisiken, die die von einer normalen Geburt übersteigen [2, 3]. Auch auf das Neugeborene und nachfolgende Schwangerschaften hat die Kaiserschnittentbindung Auswirkungen. Einige der Risiken und Nachteile eines Kaiserschnittes sind:

  • sowohl Krankenhausaufenthalt als auch Wundheilung dauern länger als bei einer vaginalen Geburt
  • Infektion der Narbe, verbunden mit Fieber
  • bei jeder OP besteht das Risiko einer Thrombose, also einer Verklumpung des Blutes
  • die Narkose kann Nebenwirkungen haben
  • bei der Narbe kann es zu Verwachsungen kommen
  • das Risiko für eine weitere Kaiserschnitt-Geburt steigt, ebenso für andere Komplikationen während der Folgeschwangerschaften (z.B. Placenta praevia )
  • oft ist das Stillen durch die schmerzende Narbe erschwert
  • Neugeborene können Anpassungschwierigkeiten bei der Atmung oder Verdauung haben, teilweise wird auch eine erhöhte Säuglingssterblichkeit berichtet

Hattest Du einmal einen Kaiserschnitt, kannst Du danach trotzdem eine normale Geburt erleben. Zum Glück ist dieses Thema sehr gut wissenschaftlich untersucht. Die Studien, die ich finden konnte sprechen sich ausnahmslos dafür aus, Frauen zu einer VBAC zu ermutigen.

Die Risiken bei einer VBAC sind geringer als man denken könnte

Bei einem VBAC-Versuch kommt es in 1,36 % der Fälle zu einer Gebärmutterruptur, wobei das Risiko jedoch in den vergangenen Jahren abzunehmen scheint (in Richtung 1%) [4]. Für die geborenen Babys gab es kein erhöhtes Risiko durch einen VBAC-Versuch und auch das Risiko für Komplikationen bei den Müttern nicht erhöht [4]. Diese Ergebnisse stammen übrigens aus einer Metastudie in der viele Studien zusammenfassend ausgewertet werden. Insgesamt wurden dabei über 70.000 Geburten einbezogen.

Nicht jeder VBAC ist gleich

In einer Studie wurden über 6000 Frauen untersucht, die zuvor einen Kaiserschnitt und eine normale vaginale Geburt hatten. Die Frauen der VBAC-Gruppe hatten kein erhöhtes Risiko für eine Uterusruptur oder eine Verletzung der Blase, während die Frauen in der Kaiserschnitt-Gruppe ein erhöhtes Risiko für eine Bluttransfusion und Fieber (also eine Infektion) hatten [5]. Wenn Du also bereits eine erfolgreiche vaginale Geburt hattest, sind Deine Chancen noch besser und die Autoren betonen in ihren Schlussfolgerungen, dass Frauen die bereits eine vaginale Geburt und einen Kaiserschnitt hinter sich haben, zu einem VBAC ermutigt werden sollten.

Auch nach drei Kaiserschnitten sind Deine Chancen auf einen VBAC gut

Auch wenn Dir gesagt wird, nach zwei oder gar drei Kaiserschnitten musst Du einen geplanten Kaiserschnitt haben, dann stimmt das nicht unbedingt. Zwischen Frauen mit einem, zwei oder drei vorausgegangen Kaiserschnitten gab es kein erhöhtest Risiko einer Ruptur der Gebärmutter oder anderer Komplikationen. Die Erfolgsrate lag mit 79 % nach drei Kaiserschnitten sogar höher als nach einem Kaiserschnitt (75%,  statistisch sind diese Abweichungen nicht relevant) [6]. Damit ist die Erfolgsrate genauso hoch wie bei Frauen ohne vorausgegangen Kaiserschnitt [1].

Das Royal College of Obstetricians and Gynaecologists (RCOG) hat übrigens seine Leitlinien angepasst und empfiehlt VBACs als sicher und möglich. Dass nicht alle Ärzte VBACs skeptisch gegenüberstehen zeigt dieser tolle englische Arzt.

Wenn Du mit dem Gedanken an einen geplanten Kaiserschnitt spielst, dann schlage ich Dir vor, dass Du Dir die folgenden Fragen stellst:

Will ich den Kaiserschnitt weil ich Angst vor den Schmerzen einer vaginalen Geburt habe?

Wenn das der Fall ist, dann beschäftige Dich doch mal mit Hypnobirthing. Eine Geburt muss nicht (übermäßig) schmerzhaft sein. Es gibt Atem– und Entspannungstechniken, die Du lernen kannst und die Dich dabei unterstützen, eine schmerzarme Geburt zu erleben.

Möchte wirklich ich den Kaiserschnitt oder fühle ich mich gedrängt (von meinem Partner, meinem Umfeld, meinem Arzt)?

Es ist leider, unter Ärzten und auch genauso in der „normalen“ Bevölkerung ein weit verbreiteter Glaubenssatz, dass man nach einem vorausgegangen Kaiserschnitt besser die nächste Geburt auch als Kaiserschnitt durchführt. Dass dies nicht generell der Fall ist, soll dieser Artikel Dir verdeutlichen. Habe Mut, Deinen eigenen Weg zu gehen, suche Dir Verbündete (etwa eine Hebamme, die Dich unterstütz oder einen Arzt, der Deinen Wünschen gegenüber aufgeschlossen ist). Du hast sehr viele Studien auf Deiner Seite!

Möchte ich den KS weil ich Angst vor Komplikationen einer VBAC habe? Sind meine Ängste begründet? Unterschätze ich möglicherweise auch die Risiken eines Kaiserschnittes?

Es stimmt, für manche Frauen kommt nur ein geplanter Kaiserschnitt in Frage (zum Beispiel bei einer Placenta praevia, also wenn die Plazenta vor dem Muttermund sitzt). Aber für die meisten Frauen sind die Chancen besser als die Risiken. Die Entscheidung triffst Du am Ende selbst, Du musst Dich damit wohlfühlen, aber lass Dich dabei nicht von unbegründeter Panikmache leiten und lass die Entscheidung nicht von anderen treffen, die unter den späteren Folgen nicht leiden müssen.

Wenn Du eine VBAC planst, könnten folgende Punkte Dir helfen:

  • Verbünde Dich. Suche Dir Unterstützung bei einer Hebamme, einer Doula oder in Deinem Umfeld. Im Internet gibt es eine (englischsprachige) Facebook-Gruppe zum Thema und im Hausgeburtsforum werden Dich die Mitglieder auch unterstützen.
  • Informiere Dich. Dieser Artikel ist nur ein Anfang. Du musst (leider) in einigen Fällen viel Wissen, um Dich durchsetzen zu können. Du solltest auch Deine Krankengeschichte gut kennen. Wieso wurde Dein erster Kaiserschnitt gemacht? Welche Form hatte er und wie wurde damals vernäht?
  • Suche Dir Vorbilder. Einen tollen Geburtsbericht einer VBAC-Geburt gibt es auf dem hebammenblog von Jana Friedrich. Leider sieht man auch an diesem Bericht, wie stark und durchsetzungsfähig man als Frau mit Wunsch nach VBAC bzw. VBA2C sein muss und vor allem zeigt er, dass die Unterstützung durch eine Hebamme Gold wert sein kann.
  • Insistiere. Ich weiß, es ist nicht einfach, aber dies ist kein guter Zeitpunkt um ein guter Patient zu sein. Dies ist Deine Geburt, Du entscheidest. Du hast das Recht dazu. Hole Dir eine zweite, eine dritte Meinung wenn es sein muss.

Wie auch immer es ausgeht: Am wichtigsten finde ich, ist es seine Geburt nicht als schlecht zu bewerten oder sich gar als Versagerin zu fühlen weil man „nur“ per Kaiserschnitt geboren hat. Auch sollte keine Mutter für ihre Entscheidung für eine geplante Sectio nach vorausgegangen Kaiserschnitt verurteilt werden. Mir ist wichtig, dass Frauen eine informierte Entscheidung treffen können und dürfen. Und dabei sollten sie von ihrem Umfeld, auch dem medizinischen, unterstützt werden.


Wenn mein Beitrag Dir gefallen hat, dann lass es mich wissen, darüber würde ich mich sehr freuen. Wenn Du Fragen zum Thema oder Anregungen für weitere Artikel hast, dann schreibe mir doch gern einen Kommentar oder kontaktiere mich direkt. Vielleicht bist Du selbst gerade schwanger und hast Angst vor der Geburt Deines Babys? Ich würde mich freuen, Dir persönlich helfen zu können (natürlich kostenlos!).

Ich wünsche Dir alles Gute und viel Kraft auf Deinem Weg.  – Susanne


[1] Thomas J, Paranjothy S. Royal College of Obstetricians and Gynaecologists Clinical Effectivenes s Support Unit. National Sentinel Caesarean Section Audit Report. London: RCOG Press, 2001. LINK

[2] Safe Prevention of the Primary Cesarean Delivery. (2014) American Congress of Obstetricians and Gynecologists and the Society for Maternal-Fetal Medicine. LINK

[3] Maternal mortality and severe morbidity associated with low-risk planned cesarean delivery versus planned vaginal delivery at term. (2007) Shiliang Liu, Robert M. Liston, K.S. Joseph, Maureen Heaman, Reg Sauve, Michael S. Kramer, for the Maternal Health Study Group of the Canadian Perinatal Surveillance System. CMAJ 176:4 LINK

[4] Vaginal birth after two caesarean sections (VBAC-2)—a systematic review with meta-analysis of success rate and adverse outcomes of VBAC-2 versus VBAC-1 and repeat (third) caesarean sections. S Tahseen, M Griffiths. 2009. BJOG LINK

[5] Is vaginal birth after cesarean (VBAC) or elective repeat cesarean safer in women with a prior vaginal delivery? Cahill A.G., Stamilio D.M., Odibo A.O., Peipert J.F., Ratcliffe S.J., Stevens E.J., Sammel M.D., Macones G.A. (2006)  American Journal of Obstetrics and Gynecology,  195  (4) , pp. 1143-1147. LINK

[6] Vaginal birth after caesarean for women with three or more prior caesareans: assessing safety and success. Cahill AG1, Tuuli M, Odibo AO, Stamilio DM, Macones GA. LINK

3 Gedanken zu “Einmal Kaiserschnitt – immer Kaiserschnitt?

  1. Ich hatte 3 Kaiserschnitte beim ersten musste es schnell gehen bei den anderen 2 hieß es das es besser ist und mir wurde angst gemacht ich habe mir immer eine normale Geburt gewünscht. ..Da ich und mein Mann noch ein 4. Kind planen frage ich mich ob ich doch eine normale Geburt anstreben könnte da ich ja auch eine sehr gute wund Heilung habe

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    1. Liebe Bibi, ich habe es ja schon im Artikel geschrieben. Entgegen der allgemeinen Annahme steigt die Rupturwahrscheinlichkeit NICHT an, auch nach 3 KS. Viele Ärzte wissen das nicht (wollen es vielleicht auch nicht wissen) und ermutigen Frauen deshalb nicht, eine natürliche Geburt zu versuchen. Auch ein KS hat Risiken. Das sollte man nicht vergessen. Und die Risiken steigen mit jedem KS. Such dir schon im Vorfeld Unterstützung (Gyn, (Beleg)Hebamme, KH) und bereite dich auf Gegenwind vor. Ich denke, man kann es auf jeden Fall versuchen, wenn sonst nichts dagegen spricht. Ich wünsche dir alles gute und würde mich freuen zu erfahren wie es bei dir weiter gegangen ist. Wenn du magst, schreib mir gern mal. Auch wenn du noch weitere Unterstützung brauchst.

      Ganz liebe Grüße
      Susanne

      PS: kennst du den Blog von BirdyBirth? Sie ist selbst Ärztin und plant jetzt in ihrer dritten Schwangerschaft nach 2 KS eine natürliche Geburt. Schau mal bei ihr vorbei, ihr Blog ist super :)

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